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292 Zur Genealogie der Moral

bar ist), eben auf die Befreiung des Prometheus, ist Herakles bei N. ein seltener
Gast: „Als Held des negativ gewerteten Euripides ist ihm der Eintritt ins CEuvre
versperrt", meint Zelle 1994, 212. Seinen Weg in die neuzeitliche Philosophie
hatte Herakles allerdings schon längst angetreten; Schiller dachte im Umfeld
seiner Abhandlung Über naive und sentimentalische Dichtung gemäß seinem
Brief an Wilhelm von Humboldt vom 30. 11. 1795 darüber nach, den mythi-
schen Heroen mit Hebe zu vermählen und somit Anmut und Pflicht zu versöh-
nen - ein Ansinnen, das ihm Kant in der Religion innerhalb der Grenzen der
bloßen Vernunft abschlägt: „Ich gestehe gern: daß ich dem Pflichtbegriffe gera-
de um seiner Würde willen keine Anmuth beigesellen kann. Denn er enthält
unbedingte Nöthigung, womit Anmuth in geradem Widerspruch steht. [...] Nur
nach bezwungenen Ungeheuern wird Hercules Musaget" (AA VI 23). Kuno Fi-
scher zitiert diese Passage in seiner von N. im Mai 1887 der Churer Bibliothek
entliehenen Kant-Darstellung (Fischer 1882, 4, 290 f.) und legt noch nach:
„Jede wahrhaft moralische Handlung ist ein Sieg der Pflicht über die Neigung,
ein Sieg, der im Kampf errungen sein will: in diesem Kampfe besteht die Tu-
gend. [...] Die menschliche Tugend will erkämpft und errungen werden, wie
die Arbeiten und Siege des Herkules!" (Ebd., 111) N. dürfte diese Neuauflage
des Herakles als Tugendbold unfreiwillig komödiantisch vorgekommen sein
(bereits als klassischer Philologe hat er sich allerdings für zweifelhafte Herak-
lea wie das fälschlich Hesiod zugeschriebene Epyllion Der Schild des Herakles
interessiert - vgl. z. B. KGW II 5, 60 f.). Schon die bombastische antike Hera-
kles-Inszenierung auf der Schaubühne musste sich dem Moralkritiker als Po-
panz darstellen.
305, 17-21 eine vollkommen deterministisch gedachte Welt würde für Götter er-
rathbar und folglich in Kürze auch ermüdend gewesen sein, — Grund genug für
diese Freunde der Götter, die Philosophen, ihren Göttern eine solche deter-
ministische Welt nicht zuzumuthen!] Dass die Philosophen „Freunde der Götter"
seien, ist eine Auffassung, die in der stoischen Philosophie ebenso verbreitet ist
(dazu Zeller 1865,3/1, 231 u. Fn. 10 mit Belegen), wie es sie bei Epikur gibt (Brief an
Menoikeus 124, Epicurea Fragment 386). N. dürfte die Wendung in Leopold
Schmidts Ethik der alten Griechen bei den Kynikern wiederbegegnet sein: „des
Antisthenes Schüler Diogenes [von Sinope] sagte, die Weisen seien Freunde der
Götter und die tüchtigen Männer Abbilder der Götter" (Schmidt 1882b, 1, 135 nach
Diogenes Laertius: De vitis VI 37 u. 51). Die Idee hingegen, dass „Willensfrei-
heit" (Schmidt 1882b, 1, 19, 21 u. 162) oder „Indeterminismus" (ebd., 157 u. 163)
erfunden worden seien, um den Göttern die Langeweile zu vertreiben, findet sich
bei Schmidt nicht, der die Frage danach für eine allgemeinmenschliche hält.
Die in GM II 7 postulierte Entstehungshypothese der Willensfreiheit wirkt
wie eine Travestie: Leibniz zielte in seinen Essais de Theodicee sur la Bonte de
 
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