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Stellenkommentar GM III 3, KSA 5, S. 341-342 409

des Werks zielt: Dessen Pessimismus perhorresziere „den Geschlechtstrieb,
weil er das aus ihm folgende Leben um des Leides willen ablehnt" (Schellong
1991, 214). Scharf arbeitet Schellong die seltsame Synthese von „Schlüpfrigkeit
und stimmungsmäßiger Erlösungsreligiosität" im Parsifal heraus, so dass
schließlich eine „Apotheose" der „Verklemmtheit" dabei herauskomme (ebd.,
215). Man müsse sich tatsächlich fragen, ob dieses Werk „überhaupt ernst ge-
meint sein kann - oder ob es ein Komödiennachspiel ist: nicht nur zu Wagners
Werk, sondern zu früheren lebensmäßig inszenierten Tragödien" (ebd., 216).
Huddleston 2016 argumentiert von N.s Kritik ausgehend, der Parsifal sei dezi-
diert nicht christlich, sondern ziele auf die Überwindung des Christentums
durch eine neue Kunstreligion.
342, 14-17 Hat man wirklich nöthig, in ihm (wie man sich gegen mich ausge-
drückt hat) „die Ausgeburt eines tollgewordenen Hasses auf Erkenntniss, Geist
und Sinnlichkeit" zu sehn?] Wer sich dem sprechenden „Ich" gegenüber schrift-
lich oder mündlich derart vernichtend über den Parsifal geäußert habe, wird
nicht weiter konkretisiert. Vorbehalte gegenüber dem vermeintlich religiösen
Gehalt des Werks waren allerdings weit verbreitet, und auch der Vorwurf der
„Tollheit" wurde an Wagner verschiedentlich adressiert (Tappert 1878, 38).
Zum Erkenntnishass im Parsifal siehe NK KSA 6, 43, 33 f. Eduard Hanslick hat
in seiner 1882 entstandenen Parsifal-Kritik unter dem Eindruck der Bayreuther
Uraufführung Wagners neureligiösen Eifer für unfreiwillig komisch gehalten
und dabei den Begriff des „Übermenschen" ins Feld geführt, dem dann N. zu
enormer Popularität verhalfen hat: „Die menschliche Natur in uns verliert
schließlich jede Fühlung mit diesen in lauter heiligen Mirakeln kreisenden Be-
gebenheiten und den abnormen /309/ Ueber- und Unmenschen, die sich vor
uns wie an einem göttlichen Marionettendrath bewegen." (Hanslick 1884,
308 f.) Und gleich dem in GM III 3 sprechenden Ich fragt Hanslick, wie Wagner
seine frühere antichristliche Haltung habe aufgeben können: „Ist das wirklich
Wagner, wird man fragen, derselbe Richard Wagner, der in seinem berühm-
ten Buche ,Die Kunst und die Religion' [sic! Korrekt ist: Die Kunst und die Revo-
lution] (1850) gegen die ,beklagenswerthe Einwirkung des Chris-
tenthums' so energisch kämpfte? /311/ Damals also faßte Wagner das Chris-
tenthum als einen feindseligen Gegensatz gegen die echte Kunst und gegen
die einzig wünschenswerthe natürliche Entwicklung der Menschen auf - heute
scheint er, ins andere Extrem umschlagend, nur in den christlichen Mysterien
das Heil der Kunst zu finden." (Ebd., 310 f.; das Zitat stammt aus Wagner 1871-
1873, 3, 32) An sich nimmt Hanslick an Wagners christlicher Wendung keinen
Anstoß, wohl aber, wie GM III 2 u. 3 daran, dass „dessen christliches Ideal
offenbar das Cölibat bedingt" (ebd., 310). In einer späteren Besprechung von
Neuerscheinungen zum Parsifal setzt sich Hanslick mit solchen Kritikern aus-
 
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