Stellenkommentar GM III 5, KSA 5, S. 344-345 419
nen, als den Ritter mit Tod und Teufel, wie ihn uns Dürer gezeichnet hat, den
geharnischten Ritter mit dem erzenen, harten Blicke, der seinen Schreckens-
weg, unbeirrt durch seine grausen Gefährten, und doch hoffnungslos, allein
mit Ross und Hund zu nehmen weiss. Ein solcher Dürerscher Ritter war unser
Schopenhauer: ihm fehlte jede Hoffnung, aber er wollte die Wahrheit." (KSA 1,
131, 24-31) Albrecht Dürers Kupferstich „Ritter, Tod und Teufel" aus dem Jahr
1513 hat N. im Original 1875 von Adolf Vischer-Sarasin geschenkt bekommen
(KGB II 7/3, 1, 54), nachdem er selbst bereits 1870 Wagner einen Abzug zu
Weihnachten nach Tribschen mitgebracht hatte, vgl. im Einzelnen NK KSA 1,
131, 26.
345, 20-25 Erwägen wir hier sofort die merlewürdige und für manche Art
Mensch selbst fascinirende Stellung Schopenhauer's zur Kunst: denn sie ist es
ersichtlich gewesen, um derentwillen zunächst Richard Wagner zu Schopen-
hauer übertrat (überredet dazu durch einen Dichter, wie man weiss, durch Her-
wegh)] Vgl. NK KSA 6, 20, 21-23. Die entsprechende Information war N. aus
dem für nur wenige Freunde zwischen 1870 und 1875 hergestellten Privatdruck
der ersten drei Teile von Wagners Autobiographie geläufig, den er teilweise in
Wagners Auftrag überwacht hatte (1880 erschien der 4. Teil, zu dem N. keinen
Zugang gehabt haben dürfte). Der Einschub „wie man weiss" ist keine kokette
Irreführung, denn das allgemeine Publikum hätte damals durchaus schon wis-
sen können, dass der revolutionär ambitionierte Dichter Georg Herwegh (1817-
1875) Wagner 1854 im Zürcher Exil auf Schopenhauer aufmerksam gemacht
hatte (bei N. wird Herwegh ansonsten nur noch ein einziges Mal erwähnt - in
der frühen Aufzeichnung NL 1865, KGW I 4, 31[1], 60, 10). Bekannt sein könnte
es nämlich einerseits aus dem Aufsatz Tristan und Parsifal gewesen sein, den
Hans von Wolzogen für die Bayreuther Blätter schrieb (Wolzogen 1886, 70),
sowie andererseits der Andeutung nach aus der eher peripheren, aber immer-
hin auch in N.s Bibliothek befindlichen Broschüre Richard Wagner und Scho-
penhauer von Friedrich von Hausegger: „Wie mir von glaubwürdigster Seite
mitgetheilt worden ist, hat sich R. Wagner erst in Folge einer Hinweisung Her-
wegh's auf die innere Verwandtschaft, der in seinem Werke dargelegten Ideen
mit der Philosophie Schopenhauers dazu bestimmt gefunden, sich mit dersel-
ben vertraut zu machen." (Hausegger 1879, 4) In Wagners Mein Leben heißt es:
„Während dem versteckte ich mich tief in meine Arbeit, beendigte am 26. Sep-
tember [1854] die zierliche Reinschrift der Partitur des ,Rheingoldes', und lern-
te jetzt in der friedlichen Stille meines Hauses ein Buch kennen, dessen Studi-
um von grosser Bedeutung für mich ward. Es war diess Arthur Schopenhauer's:
,Die Welt als Wille und Vorstellung'. / Herwegh nannte mir dieses Buch, von
welchem er vor allem das Interessante mitzutheilen hatte, dass es neuerdings
auf sonderbaren Umwegen gewissermaassen erst entdeckt worden sei, nach-
nen, als den Ritter mit Tod und Teufel, wie ihn uns Dürer gezeichnet hat, den
geharnischten Ritter mit dem erzenen, harten Blicke, der seinen Schreckens-
weg, unbeirrt durch seine grausen Gefährten, und doch hoffnungslos, allein
mit Ross und Hund zu nehmen weiss. Ein solcher Dürerscher Ritter war unser
Schopenhauer: ihm fehlte jede Hoffnung, aber er wollte die Wahrheit." (KSA 1,
131, 24-31) Albrecht Dürers Kupferstich „Ritter, Tod und Teufel" aus dem Jahr
1513 hat N. im Original 1875 von Adolf Vischer-Sarasin geschenkt bekommen
(KGB II 7/3, 1, 54), nachdem er selbst bereits 1870 Wagner einen Abzug zu
Weihnachten nach Tribschen mitgebracht hatte, vgl. im Einzelnen NK KSA 1,
131, 26.
345, 20-25 Erwägen wir hier sofort die merlewürdige und für manche Art
Mensch selbst fascinirende Stellung Schopenhauer's zur Kunst: denn sie ist es
ersichtlich gewesen, um derentwillen zunächst Richard Wagner zu Schopen-
hauer übertrat (überredet dazu durch einen Dichter, wie man weiss, durch Her-
wegh)] Vgl. NK KSA 6, 20, 21-23. Die entsprechende Information war N. aus
dem für nur wenige Freunde zwischen 1870 und 1875 hergestellten Privatdruck
der ersten drei Teile von Wagners Autobiographie geläufig, den er teilweise in
Wagners Auftrag überwacht hatte (1880 erschien der 4. Teil, zu dem N. keinen
Zugang gehabt haben dürfte). Der Einschub „wie man weiss" ist keine kokette
Irreführung, denn das allgemeine Publikum hätte damals durchaus schon wis-
sen können, dass der revolutionär ambitionierte Dichter Georg Herwegh (1817-
1875) Wagner 1854 im Zürcher Exil auf Schopenhauer aufmerksam gemacht
hatte (bei N. wird Herwegh ansonsten nur noch ein einziges Mal erwähnt - in
der frühen Aufzeichnung NL 1865, KGW I 4, 31[1], 60, 10). Bekannt sein könnte
es nämlich einerseits aus dem Aufsatz Tristan und Parsifal gewesen sein, den
Hans von Wolzogen für die Bayreuther Blätter schrieb (Wolzogen 1886, 70),
sowie andererseits der Andeutung nach aus der eher peripheren, aber immer-
hin auch in N.s Bibliothek befindlichen Broschüre Richard Wagner und Scho-
penhauer von Friedrich von Hausegger: „Wie mir von glaubwürdigster Seite
mitgetheilt worden ist, hat sich R. Wagner erst in Folge einer Hinweisung Her-
wegh's auf die innere Verwandtschaft, der in seinem Werke dargelegten Ideen
mit der Philosophie Schopenhauers dazu bestimmt gefunden, sich mit dersel-
ben vertraut zu machen." (Hausegger 1879, 4) In Wagners Mein Leben heißt es:
„Während dem versteckte ich mich tief in meine Arbeit, beendigte am 26. Sep-
tember [1854] die zierliche Reinschrift der Partitur des ,Rheingoldes', und lern-
te jetzt in der friedlichen Stille meines Hauses ein Buch kennen, dessen Studi-
um von grosser Bedeutung für mich ward. Es war diess Arthur Schopenhauer's:
,Die Welt als Wille und Vorstellung'. / Herwegh nannte mir dieses Buch, von
welchem er vor allem das Interessante mitzutheilen hatte, dass es neuerdings
auf sonderbaren Umwegen gewissermaassen erst entdeckt worden sei, nach-