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Stellenkommentar GM III 5, KSA 5, S. 345-346 421

darauf folgenden Jahres hatte ich es zum vierten Male durchstudirt. Die hier-
durch allmählich auf mich sich einstellende Wirkung war ausserordentlich,
und jedenfalls für mein ganzes Leben entscheidend. Ich gewann da-/605/
durch für mein Urtheil über alles, was ich bisher rein nach dem Gefühle mir
angeeignet hatte, ungefähr dasselbe, was ich einst, aus der Lehre meines alten
Meisters Weinlich entlassen, durch das eingehendste Studium des Kontrapunk-
tes für die Musik mir gewonnen hatte. Wenn ich späterhin in zufällig angereg-
ten schriftstellerischen Arbeiten mich wieder über das mich besonders ange-
hende Thema meiner Kunst vernehmen liess, so war diesen zuversichtlich an-
zumerken, was ich hiermit als den Gewinnst aus meinem Studium der
Schopenhauer'sehen Philosophie bezeichne" (Wagner 1911, 603-605).
345, 25-27 dass sich damit ein vollkommner theoretischer Widerspruch zwi-
schen seinem früheren und seinem späteren ästhetischen Glauben aufriss] Man
darf sich die Frage stellen, ob ein solcher Widerspruch nicht auch zwischen
der Kunstreflexion in GT und in GM bestehe, siehe NK ÜK GM III 4.
345, 27-29 — ersterer zum Beispiel in „Oper und Drama" ausgedrückt, letzterer
in den Schriften, die er von 1870 an herausgab] Wagners Oper und Drama ist
1850/51 im Zürcher Exil entstanden und lag 1852 vollständig publiziert vor -
also noch vor Wagners Schopenhauer-Lektüre. Es visioniert ein Gesamtkunst-
werk, das Drama und Musik vereinigen soll, wobei Musik der „Äthern" der
Sprache sei (Wagner 1871-1873, 4, 160). Dabei gab sich Wagner ebenso lebens-
gierig wie zukunftsfreudig und malte sich aus, wie „das ahnungsvoll be-
dingende Kunstwerk des sehnsüchtigen Künstlers der Gegen-
wart sich mit dem Meere des Lebens der Zukunft vermählen"
werde (ebd., 4, 283). N. hat Oper und Drama kurz nach seiner ersten persönli-
chen Begegnung mit Wagner 1868 gelesen und fand sich dadurch zu GT inspi-
riert. In den späteren Schriften ist nach N.s Einschätzung unter dem Einfluss
Schopenhauers Wagners Lebens- und Zukunftsbejahung erlahmt.
345, 29-346, 1 In Sonderheit änderte Wagner, was vielleicht am meisten be-
fremdet, von da an rücksichtslos sein Urtheil über Werth und Stellung der Musik
selbst: was lag ihm daran, dass er bisher aus ihr ein Mittel, ein Medium, ein
„Weib" gemacht hatte, das schlechterdings eines Zweckes, eines Manns bedürfe
um zu gedeihn — nämlich des Drama's!] In der Einleitung zu Oper und Drama
hatte es noch geheißen: „der Irrthum in dem Kunstgenre der Oper
bestand darin, / daß ein Mittel des Ausdruckes (die Musik) zum Zwe-
cke, der Zweck des Ausdruckes (das Drama) aber zum Mittel gemacht
war" (Wagner 1871-1873, 3, 282). Vgl. NK KSA 6, 36, 1.
346, 1-9 Er begriff mit Einem Male, dass mit der Schopenhauer'schen Theorie
und Neuerung mehr zu machen sei in majorem musicae gloriam, — nämlich mit
 
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