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Stellenkommentar GM III 8, KSA 5, S. 353-354 447

Nr. 809, S. 389, Z. 14-16) Zu einem ersten, dreieinhalbmonatigen Aufenthalt in
Venedig kommt es dann aber erst von März bis Juli 1880, wobei, so am
15. 03. 1880 an die Mutter, „der Markusplatz [...] in der Nähe" (KSB 6/KGB III 1,
Nr. 16, S. 12, Z. 4) seiner Pension liegt. Auch jeweils von April bis Juni 1884
und 1885, von April bis Mai 1886 und schließlich zum letzten Mal von Septem-
ber bis Oktober 1887 verbrachte N. insgesamt einige Monate in Venedig. San
Marco und seinen Tauben widmete N. auch ein Gedicht unter dem Titel „Mein
Glück" in den der neuen Ausgabe von FW beigegebenen Liedern des Prinzen
Vogelfrei (KSA 3, 648). Vgl. zur Raumwirkung des Markusplatzes auf N. auch
Neumeyer 2001, 242.
353, 22-25 Das aber, dem Heraklit auswich, ist das Gleiche noch, dem wir jetzt
aus dem Wege gehn: der Lärm und das Demokraten- Geschwätz der Ephesier,
ihre Politik, ihre Neuigkeiten vom „Reich" (Persien, man versteht mich)] Vgl.
NK 353, 16-18. Zur Lebenszeit von Heraklit (ca. 520-460 v. Chr.) stand seine
Heimatstadt, die griechische Kolonie Ephesos in Ionien unter der Kontrolle des
altpersischen Achämenidenreichs. Es wird ironisch zum Deutschen Kaiserreich
in Analogie gesetzt, dessen Gründung N. in UB I DS mit scharfen Worten kom-
mentiert hat. Erstmals in GM III 8 identifiziert sich in 353, 23 das zunächst noch
gesperrt gesetzte „Wir" mit den Philosophen (vgl. aber schon das „uns" in 353,
18).
354, 2-5 Jener dort spricht selten anders als heiser: hat er sich vielleicht heiser
gedacht? Das wäre möglich — man frage die Physiologen —, aber wer in Wor-
ten denkt, denkt als Redner und nicht als Denker] Dieser Passus spielt mit der
seit Sokrates und Platon in der Philosophie allgegenwärtigen Kritik an Sophis-
tik und angeblich leerer Rhetorik (die N. auch in Frary 1884 vor Augen stand).
Wie Brobjer 2001, 418 nachgewiesen hat, wird in 354, 2-5 aber auch eine kon-
krete Beobachtung aus Harald Höffdings Psychologie in Umrissen aufgenom-
men: „Bei einigen Menschen ist Denken in dem Grade ein inneres Reden, daß
sie bei angestrengtem Denken heiser werden. Man hat deshalb das Denken
,einen unmerklich in den Zentralteilen verlaufenden Sprachprozess' genannt,
der zum wirklichen Sprechen in demselben Verhältnis steht, wie der Wille zur
wirklichen Bewegung." (Höffding 1887, 216).
354, 15-17 Man erkennt einen Philosophen daran, dass er drei glänzenden und
lauten Dingen aus dem Wege geht, dem Ruhme, den Fürsten und den Frauen]
Diese Dreierpaarung von Gütern, die der Philosoph - wie ein antiker Stoiker -
verachtet, findet sich etwa im Zwiegespräch von Antonio und Leonore in Goe-
thes Torquato Tasso (3. Akt, 4. Auftritt). Leonore: „Der Dienst, mit dem du dei-
nem Fürsten dich, / Mit dem du deine Freunde dir verbindest, / Ist wirkend,
ist lebendig, und so muß / Der Lohn auch wirklich und lebendig seyn. / Dein
 
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