450 Zur Genealogie der Moral
nun Thales, einer der Weisen, als seine Mutter in ihn drang, daß er heirathen
solle, im Anfang zu ihr sagte: es ist noch nicht Zeit dazu; wie sie ihm dann
später noch, als er schon verblüht war, zusetzte, ihr erwiderte: es ist nicht
mehr Zeit; so wird auch jeder Andere sich mit der Liebeslust am besten abfin-
den, wenn er beim Schlafengehen sagt: es ist noch nicht Zeit, und beim Aufste-
hen: es ist nicht mehr Zeit. / Da bemerkte Soklarus: Lieber Olympikus, das
paßt für Athleten und riecht noch ganz nach dem Kottabusspielen und Fleisch-
essen, taugt aber nicht für uns." (Plutarch 1856, 34, 1978).
355, 30 vigor des animalen Lebens] Vigor (lateinisch) bedeutet „Lebenskraft,
Vollkraft, Rüstigkeit" (Meyer 1885-1892, 16, 202). Vgl. NK KSA 6, 282, 7 f.
355, 34 auslösender Reiz] Vgl. NK 264, 21-27.
356, 8-11 dass somit die Sinnlichkeit beim Eintritt des ästhetischen Zustandes
nicht aufgehoben ist, wie Schopenhauer glaubte, sondern sich nur transfigurirt
und nicht als Geschlechtsreiz mehr in's Bewusstsein tritt] Vgl. NK 347, 28-348, 6.
Zum Begriff des „aesthetischen/ästhetischen Zustands", den schon GT 5,
KSA 1, 47 evoziert und der Anleihen bei Schiller macht, siehe Därmann 2005.
356, 13 f. der bisher so unberührten, so unaufgeschlossenen Physiologie der
Ästhetik] Vgl. NK KSA 6, 26, 32, auch zur eng verwandten Wendung „Physio-
logie der Kunst". Die Formel „Physiologie der Aesthetik" taucht schon in einem
frühen, erst in einem KGW-Nachtrag veröffentlichten Notat auf (P II 3b, 228 in
KGW III 5/1, 111, 24). Kleinert 2016, 28, Fn. 11 führt einige wesentliche Stellen
an, die bei N. um das Thema einer Physiologie der Ästhetik kreisen; Moore
2002a, 87 f. weist darauf hin, dass dieses Feld damals keineswegs so „unbe-
rührt" war, wie N. suggeriert. Namentlich Herbert Spencer habe dafür wesentli-
che Grundlagen geschaffen. Zum Thema auch Politycki 1989, 16 f.
9.
GM III 9 bringt - wie der vorige Abschnitt weiter mit der Frage beschäftigt,
welche Bedeutung das asketische Ideal für die Philosophen hat - neben dem
evolutionstheoretisch inspirierten Gesichtspunkt der funktionalen Dienlich-
keit, der Lebensbedingungsoptimierung asketischer Verhaltensweisen einen
stärker konstitutionsgenetisch akzentuierten Gesichtspunkt zur Geltung, näm-
lich die soziale Dienlichkeit des asketischen Ideals bei der Entstehung der phi-
losophischen Lebensform. Zuerst hätten sich die Philosophen nur unsicher
und tapsig in der Welt bewegt, ohne Mut, offen zu ihrem Geschäft zu stehen,
weil sie sich mit ihren „Triebe[n] und Tugenden" (357, 2) in fundamentaler Op-
nun Thales, einer der Weisen, als seine Mutter in ihn drang, daß er heirathen
solle, im Anfang zu ihr sagte: es ist noch nicht Zeit dazu; wie sie ihm dann
später noch, als er schon verblüht war, zusetzte, ihr erwiderte: es ist nicht
mehr Zeit; so wird auch jeder Andere sich mit der Liebeslust am besten abfin-
den, wenn er beim Schlafengehen sagt: es ist noch nicht Zeit, und beim Aufste-
hen: es ist nicht mehr Zeit. / Da bemerkte Soklarus: Lieber Olympikus, das
paßt für Athleten und riecht noch ganz nach dem Kottabusspielen und Fleisch-
essen, taugt aber nicht für uns." (Plutarch 1856, 34, 1978).
355, 30 vigor des animalen Lebens] Vigor (lateinisch) bedeutet „Lebenskraft,
Vollkraft, Rüstigkeit" (Meyer 1885-1892, 16, 202). Vgl. NK KSA 6, 282, 7 f.
355, 34 auslösender Reiz] Vgl. NK 264, 21-27.
356, 8-11 dass somit die Sinnlichkeit beim Eintritt des ästhetischen Zustandes
nicht aufgehoben ist, wie Schopenhauer glaubte, sondern sich nur transfigurirt
und nicht als Geschlechtsreiz mehr in's Bewusstsein tritt] Vgl. NK 347, 28-348, 6.
Zum Begriff des „aesthetischen/ästhetischen Zustands", den schon GT 5,
KSA 1, 47 evoziert und der Anleihen bei Schiller macht, siehe Därmann 2005.
356, 13 f. der bisher so unberührten, so unaufgeschlossenen Physiologie der
Ästhetik] Vgl. NK KSA 6, 26, 32, auch zur eng verwandten Wendung „Physio-
logie der Kunst". Die Formel „Physiologie der Aesthetik" taucht schon in einem
frühen, erst in einem KGW-Nachtrag veröffentlichten Notat auf (P II 3b, 228 in
KGW III 5/1, 111, 24). Kleinert 2016, 28, Fn. 11 führt einige wesentliche Stellen
an, die bei N. um das Thema einer Physiologie der Ästhetik kreisen; Moore
2002a, 87 f. weist darauf hin, dass dieses Feld damals keineswegs so „unbe-
rührt" war, wie N. suggeriert. Namentlich Herbert Spencer habe dafür wesentli-
che Grundlagen geschaffen. Zum Thema auch Politycki 1989, 16 f.
9.
GM III 9 bringt - wie der vorige Abschnitt weiter mit der Frage beschäftigt,
welche Bedeutung das asketische Ideal für die Philosophen hat - neben dem
evolutionstheoretisch inspirierten Gesichtspunkt der funktionalen Dienlich-
keit, der Lebensbedingungsoptimierung asketischer Verhaltensweisen einen
stärker konstitutionsgenetisch akzentuierten Gesichtspunkt zur Geltung, näm-
lich die soziale Dienlichkeit des asketischen Ideals bei der Entstehung der phi-
losophischen Lebensform. Zuerst hätten sich die Philosophen nur unsicher
und tapsig in der Welt bewegt, ohne Mut, offen zu ihrem Geschäft zu stehen,
weil sie sich mit ihren „Triebe[n] und Tugenden" (357, 2) in fundamentaler Op-