Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Stellenkommentar GM III 9, KSA 5, S. 358 457

gams die Hochzeitsnacht mit der Braut verbringen zu dürfen) und Frary 1884,
270 f. zur Ehe (diverse Anstreichungen N.s). 358, 11-16 ist vorgeformt in
NL 1883, KSA 10, 8[6], 327, 19-24: „Die Ehe mit schlechtem Gewissen: das Weib
muß, bevor es heirathet, eine Zeit des Hetärism durchmachen, es muß entjung-
fert sein. Es muß sich den Stammesgenossen preisgeben, bevor es Einem Man-
ne gehört. Letzter Rest das jus primae noctis der Häuptlinge oder auch Priester
(wie bei den Buddhisten in Cambodja)". Dafür wiederum liefern, wie Thatcher
1989, 595 und Stingelin 1991 nachgewiesen haben, einmal mehr Albert Her-
mann Posts Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft die Vorlage: „So-
dann gilt die individuelle Ehe zunächst als eine Verletzung des natürlichen
Gesetzes, welches daher eine Sühne verlangt. Das Weib muss deshalb, bevor
es sich verheiratet, eine Zeit des Hetärismus durchmachen unter Gebräuchen,
wie sie sich an die Kulte der Mylitta, Anaitis, Aphrodite u. s. w. anschliessen.
Das Weib darf nicht eher zur Ehe schreiten, bis es entjungfert und damit dem
natürlichen Recht genug geschehen ist. [...] /93/ [...] Dieses allgemeine Recht
der Stammgenossen schmilzt allmählich zu dem jus primae noctis der Häupt-
linge, Könige und Priester zusammen, wie es sich z. B. in Indien, im alten Abys-
sinien, unter den brasilianischen Indianern, im Inkareiche, auf den Marianen
findet, und wie es früher auch in Russland und Deutschland vorkam" (Post
1880-1881, 1, 92 f.; von N. mit Randstrichen markiert). Die Kambodscha-Episo-
de stammt aus der Fußnote: „In Cambodja findet alljährlich eine Ceremonie
unter dem Namen Tchin-than statt, bei welcher nach vorheriger Aufforderung
an die Eltern, welche heiratsfähige Töchter haben, dies anzuzeigen, ein Bud-
dhapriester das jus primae noctis ausübt." (Ebd., 93, Fn. 3) Das Exzerpt
NL 1883, KSA 10, 8[6], 327, 19-24 blendet einen Aspekt aus, der in GM III 9
noch eigens herausgestellt wird, so dass vermutet werden darf, dass N. bei der
Abfassung nicht (nur) auf das Exzerpt, sondern (auch) auf Posts Originaltext
Zugriff hatte, nämlich den Aspekt, dass die „Gemeinde" durch die eheliche
Zweisamkeit Schaden erleidet, der gesühnt werden muss. Post 1880-1881, 1, 97
spricht hier von der „Sitte, welche eine eheliche Verbindung zwischen zwei
Individuen als eine Verletzung der Rechte der Stammesgenossen auffasst" (von
N. mit Randstrich markiert; nachgewiesen bei Nietzsche 1998, 154, dort aller-
dings mit falscher Seitenangabe).
358, 21 „Jenseits von Gut und Böse" S. 232] Nietzsche 1886a, 232 = JGB 260,
KSA 5, 209, 19-210, 13.
358, 23 f. Verzicht auf Vendetta] In N.s sonstigem Gebrauch ist der italienische
Ausdruck „vendetta", Blutrache (vgl. knapp auch Kohler 1885b, 22) exklusiv
entsprechenden Praktiken auf Korsika vorbehalten, vgl. NL 1880, KSA 9, 2[28],
38, 6 f.: „Ein Corse hält Betteln für unmoralisch, als Bandit leben nicht; Tödten
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften