Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
466 Zur Genealogie der Moral

Glück gehabt hat, in privilegierte Umstände hineingeboren zu werden. Der as-
ketische Priester muss also weder aus der Sklavenschaft noch nach GM I 6
aus einer frühgeschichtlichen Priesteraristokratie kommen, deren Angehörige
freilich auch miesepetrig zu sein scheinen (vgl. KSA 5, 265 f.). Jedoch fragt sich,
warum unter bestimmten historischen Umständen das asketische Ideal gran-
diose Konjunkturen erlebt, die von Priestern befeuert werden. Weil es den
Priestern unter diesen konkreten Umständen gelingt, das Ressentiment breites-
ter, zu kurz gekommener Volksschichten zu kanalisieren?
363, 15 f. gegen deren Ausdruck] In KSA 5, 363, 15 f. heißt es: „gegen dessen
Ausdruck". Im Druckmanuskript und in der Erstausgabe steht hingegen: „ge-
gen deren Ausdruck" (GSA 71/27,2, fol. 25r u. Nietzsche 1887a, 125). Entweder
ist das ein Versehen N.s oder der grammatische Bezug wären „die Quellen der
Kraft" (363, 13)
363, 18 Entselbstung] Vgl. NK KSA 6, 372, 27-32.
363, 25 „Der Triumph gerade in der letzten Agonie"] Als Zitat lässt sich diese
Wendung nicht nachweisen; sie bringt auf den Punkt, wie insbesondere das
Christentum vom Tod(eskampf) fasziniert war und im Sterben Christi zugleich
dessen Triumph über diese Welt zu erkennen meinte. Besonders drastisch hat
das der N. wohlbekannte Pietist Nikolaus Ludwig von Zinzendorf - wollte er
ihn 1883 lesen? (vgl. NL 1883, KSA 10, 15[8], 481, 13 u. 15[60], 494, 17) - in
einem 1755 erstmals publizierten Passionslied zum Ausdruck gebracht, Christi
„letzte Agonie" ausdrücklich besingend und des eigenen Todes harrend: „Bis
dahin laß kein Augenblickgen / Uns ohne Blutgesaufe geh'n, / Laß meine
Aeuglein jedes Stückgen / An deinem Marterbilde seh'n: / Laß meinen Ohren
das Geläute / Von deiner letzten Agonie, / Daß sie dein Angstgeschrei begleite /
Den ganzen Tag, die Nacht und Früh." (Koch 1853, 4/2, 181).
363, 29 Crux, nux, lux] Lateinisch: „Kreuz, Nuss, Licht". Die Emendation von
Peter Pütz: „Crux, nox, lux" (Nietzsche 1992, 106. „Kreuz, Nacht, Licht") wider-
spricht dem Textbestand von Druckmanuskript und Erstausgabe (GSA 71/27,2,
fol. 25r u. Nietzsche 1887a, 125). Weitere Fundstellen in Briefen und im Nach-
lass machen die Absichtlichkeit der „Nuss" unmissverständlich: „Nux et
crux. Eine Philosophie für gute Zähne." (NL 1885, KSA 11, 34[172],
477, 22 f., den Brief an Irene von Seydlitz vom 07. 05. 1886 unterschreibt N. als
„Fridericus Nux Crux / Lux Dux etc." KSB 7/KGB III 3, Nr. 699, S. 189, Z. 39 f.
Und am 13. 09. 1888 kündigt N. Reinhart von Seydlitz die Publikation von GD
mit den Worten an: „Ende des Jahres wird eine andre Sache von mir veröffent-
licht, welche meine Philosophie in ihrer dreifachen Eigenschaft, als lux, als
nux und als crux, zur Erscheinung bringt." KSB 8/KGB III 5, Nr. 1110, S. 424,
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften