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Stellenkommentar GM III 14, KSA 5, S. 368-369 487

fordert und damit die stoische Orthodoxie verlässt, bevor er sich in ihr einge-
richtet hat.
369, 14-17 die Falschmünzer-Geschicklichkeit, mit der hier das Gepräge der Tu-
gend, selbst der Klingklang, der Goldklang der Tugend nachgemacht wird] Vgl.
NK 280, 25 u. Sommer 2000a, 153-159. Hier ist die Metapher der Falschmünze-
rei nicht nur wie oft in N.s Spätwerk schon begrifflich erstarrt, sondern wird
numismatosophisch ausgeschmückt: „Gepräge", „Klingklang," „Goldklang"
und „nachgeahmt" gehören ins selbe metaphorische Feld und machen den
Vorwurf der moralischen Verfälschung anschaulich.
369, 20 homines bonae voluntatis] Lateinisch: „Menschen guten Willens",
nach dem Vulgata-Text von Lukas 2, 14. N. bemüht diese Formel aus der soge-
nannten Doxologia maior öfters, um sich von Ethik-Konzepten abzugrenzen,
die auf den „guten Willen" abheben, vgl. z. B. NK KSA 5, 125, 1-126, 3 u. NK
KSA 5, 153, 31.
369, 33 „schöne Seelen"] Von einer „schönen Seele" ist schon bei Platon: Sym-
posion 209b die Rede, aber die Wendung bekommt später eine dezidiert christ-
liche und später humanistische Bedeutung (vgl. Konersmann 1993 u. Koners-
mann 1995). N. greift sie gerne ironisierend auf (vgl. NK 406, 23-28), auch in
Anspielung auf die „Bekenntnisse einer schönen Seele" im 6. Buch von Goe-
thes Wilhelm Meisters Lehrjahren (Goethe 1853-1858, 17, 94). In Schillers Auf-
satz Ueber Anmuth und Würde heißt es: „Eine schöne Seele nennt man es,
wenn sich das sittliche Gefühl aller Empfindungen des Menschen endlich bis
zu dem Grad versichert hat, daß es dem Affect die Leitung des Willens ohne
Scheu überlassen darf, und nie Gefahr läuft, mit den Entscheidungen dessel-
ben im Widerspruch zu stehen. Daher sind bei einer schönen Seele die einzel-
nen Handlungen eigentlich nicht sittlich, sondern der ganze Charakter ist es.
Man kann ihr auch keine einzige darunter zum Verdienst anrechnen, weil eine
Befriedigung des Triebes nie verdienstlich heißen kann. Die schöne Seele hat
kein andres Verdienst, als daß sie ist." (Schiller 1844, 10, 47) Vgl. ausführlich
NK KSA 6, 157, 2-4 und NK KSA 6, 221, 9.
369, 34-370, 1 „Reinheit des Herzens"] Die Formel geht zurück auf wiederholte
Herzensreinheitsforderungen in der Bibel, z. B. Matthäus 5, 8: „Selig sind, die
reinen Herzens sind; denn Sie [sic] werden GOtt schauen." (Die Bibel: Neues
Testament 1818, 6, vgl. Psalm 51, 12: „Schaffe mir, GOtt, ein reines Herz". Die
Bibel: Altes Testament 1818, 580). Die „Reinigung" oder „Reinheit des Herzens"
(dyviopog Tfc Kapöiag) wird im Barnabasbrief 8, 3 verkündigt (vgl. Arndt 1980,
51). In der christlichen Erbauungsliteratur des 19. Jahrhunderts ist „Reinheit
des Herzens" inflationär vertreten, aber auch in N. wohlbekannten philosophi-
 
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