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490 Zur Genealogie der Moral

ist von der „Frau" die Rede - moralpsychologisch zu diskreditieren. Das de-
kontextualisierte Zitat lebt davon, dass in der Imagination der Mitteleuropäer
die Hyäne als heimtückisch-hinterhältiges Tier gilt. Ob das auch für die Imagi-
nation der Bogos zutrifft, ist völlig offen; die rechtsethnologischen Quellen sa-
gen letztlich nicht mehr, als dass die Frau bei diesem Volk so rechtlos ist wie
ein Tier. Vgl. auch NK KSA 6, 274, 8-10 und NK KSA 5, 88, 22 f.
370, 16 „die edle Entrüstung"] Vgl. KGW IX 6, W II 1, 41, 26 = NL 1887, KSA 12,
9[130], 411, 23 u. GM III 26, KSA 5, 408, 13. Die Wendung ist etwa aus Justinus
Kerners Bilderbuch aus meiner Knabenzeit (1840) belegt (Grimm 1854-1971, 32,
96); N. könnte ihr aber in Kuno Fischers Kant-Darstellung (Fischer 1882, 4, 452:
„Mit Recht redet man von einem edlen Zorn und einer edlen Entrüstung") oder
in Adolf Stahrs Übersetzung von Aristoteles' Rhetorik (II 9, 2) begegnet sein: Es
sei „sittliche Pflicht", „sich über unverdientes Glück zu entrüsten, weil alles,
was einem Menschen wider sein Verdienst geschieht, dem Begriffe der Gerech-
tigkeit widerspricht, darum legen wir auch den Göttern diese Eigenschaft der
edlen Entrüstung bei" (Aristoteles 1862, 154; Seite von N. mit Eselsohr markiert.
Im Original lautet der letzte Halbsatz: „Öio Kai töü; OeoTg dnoötöopev to ve-
peoav". Rhetorik 1386bl4 f.).
370, 20-25 (— ich erinnere Leser, die Ohren haben, nochmals an jenen Berliner
Rache-Apostel Eugen Dühring, der im heutigen Deutschland den unanständigsten
und widerlichsten Gebrauch vom moralischen Bumbum macht: Dühring, das ers-
te Moral-Grossmaul, das es jetzt giebt, selbst noch unter seines Gleichen, den
Antisemiten).] Matthäus 11, 15: „Wer Ohren hat zu hören, der höre" (Die Bibel:
Neues Testament 1818, 17, vgl. z. B. Markus 7, 16 u. Offenbarung 2, 11). Zu Düh-
rings Racheidee z. B. NK 310, 9-22 u. NK 310, 22-28; zum tragenden Motiv des
„Bumbum" in N.s Spätwerk siehe NK KSA 6, 25, 31 und die eingehende Unter-
suchung in Sommer 2016i, 246. Yovel 1994, 228 und Yovel 2006, 283 analysiert
diese Passage im Horizont der Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus
bei N. Zu Dührings Antisemitismus und N. siehe Venturelli 1986, 137-139 sowie
Gemes 2019. Ein direkter Beleg dafür, dass N. auch Dührings einschlägiges an-
tisemitisches Pamphlet Die Judenfrage als Racen-, Sitten- und Culturfrage von
1881 gelesen hat, gibt es bislang nicht, obwohl der gemeinsame Verleger Ernst
Schmeitzner es ihm über einen Brief an Heinrich Köselitz vom 04. 09. 1881 na-
hegelegt hatte: „Apropos; kennen Sie das Buch von Dühring über die Juden?!
Es kostet nur 3 Mark und ist etwas Vorzügliches, etwas ganz Einziges. Sie könn-
ten Nietzschen vielleicht mal etwas davon mit in die Hand spielen?" (KGB III 7/
1, 857, dort wird fälschlich „das Buch" mit der bei Schmeitzner erschienenen
Nachfolgeschrift Die Parteien in der Judenfrage identifiziert. Diese jedoch ist
erst im Folgejahr 1882 als Separatdruck nach einer Erstpublikation in Gestalt
 
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