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Stellenkommentar GM III 23, KSA 5, S. 394-395 559

„Geschmack" verdorben habe (392, 31-393, 1). GM III 23 tauscht allerdings
das Subjekt aus: Statt vom „asketischen Priester" wird jetzt wieder direkt vom
„asketische [n] Ideal" (395, 11) gesprochen, das sich dieses Gesundheits- und
Geschmacksverderbens schuldig gemacht habe - und es habe auch noch „et-
was Drittes, Viertes, Fünftes, Sechstes verdorben" (395, 12 f.), ohne dass das
prominent auftretende „Ich" sagt, worum es sich da handelt. Denn ihm ist es
ausdrücklich nicht um Wirkungen dieses asketischen Ideals zu tun, sondern
ausschließlich darum, „was es bedeutet, worauf es rathen lässt, was hinter
ihm, unter ihm, in ihm versteckt liegt, wofür es der vorläufige, undeutliche,
mit Fragezeichen und Missverständnissen überladne Ausdruck ist" (395, 16-
19, vgl. Conway 1994, 324 f., der zeigen möchte, wie GM die Überdeterminie-
rung der asketischen Ideale durch vielfältige Bedeutungszuweisungen rück-
gängig machen will, wobei sich die genealogische Kritik zu diesen Bedeutun-
gen parasitär verhalten müsse: „Genealogical interpretations are always abnor-
mal and reactive, preying upon the normal, authoritative interpretations they
challenge. Whatever degree of validity a genealogy acquires is therefore entire-
ly relative to the interpretation it discredits." Conway 1994, 325). Mit 395, 16-
19 wird die Grundfrage der Dritten Abhandlung, die allerdings das Ideal noch
in den Plural gesetzt hat, wieder aufgegriffen (vgl. NK 339, 9) und spezifiziert:
Die Frage nach der Bedeutung des asketischen Ideals ist nicht bloß die Frage
nach dessen Relevanz im Sinne seiner weltgeschichtlichen Wirkung - angeb-
lich ist sie diese Frage sogar am allerwenigsten (vgl. 395, 14 f.), obwohl sich
die Dritte Abhandlung mit diesen Wirkungen im Vorangegangenen ausgiebig
beschäftigt und sie weidlich dazu genutzt hat, das fragliche Ideal zu diskredi-
tieren. Gerade die Folgen des Ideals sind es ja eigentlich, die es so schlecht
dastehen lassen.
Vielmehr gilt in GM III 23 die Frage nach der Bedeutung als Frage nach
einem Dahinterliegenden, Verborgenen, das die Oberfläche des Ideals gerade
nicht verrät. Was das sein soll oder sein könnte, sagt erst der allerletzte Ab-
schnitt des Buches ganz explizit, nämlich der „Wille[.] zum Nichts"
(GM III 28, KSA 5, 412, 11 f.), während GM III 23 eher vage davon spricht, dass
das asketische Ideal „ein Ziel" (395, 29) habe, dem sich alles andere unterord-
ne - ist es das Nichts? Dieses Ideal erscheint als das Mächtigste, was es auf
Erden überhaupt gibt, obwohl oder weil es an „sein Vorrecht vor jeder Macht"
(396, 5) glaube und „Rang-Distanz in Hinsicht auf jede Macht" (396, 6) für
sich reklamiere (was wie eine Paraphrase jener auf den Souverän gemünzten De-
vise nach Hiob 41, 24 - Luther: 41, 25 - auf dem Frontispizkupfer von Thomas
Hobbes' Leviathan von 1651 klingt: „Non est potestas Super Terram quae Compa-
retur ei"; „es gibt keine Macht auf Erden, die mit ihm verglichen werden kann").
Nun lässt sich das „Ich" von einem „Man" unterbrechen, das einwendet,
lange sei doch schon eine Gegenkraft wirksam, die das asketische Ideal in
 
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