Stellenkommentar GM III 25, KSA 5, S. 404-405 583
verstörbarkeit" übersetzt; N. hat die entsprechenden Stellen mit Randstrichen
markiert (Simplikios 1867, 100 u. 103).
405, If. der Verachtende ist immer noch Einer, der „das Achten nicht verlernt
hat"...] Das ist die Variation zu einem bekannten Satz von Friedrich Theodor
Vischer: „Es wird so viel heilig gehalten, daß der Mensch in Gefahr kommt,
über dem Anbeten das Achten zu verlernen." (Vischer 1873, 6, 213) Zu N.
und Vischer vgl. NK KSA 6, 359, 3-18, zur Logik des Achtens und Verachtens
bei N. siehe Politycki 1989, 127. Vischers Satz nimmt eine Zeile aus Theodor
Körners Drama Zriny auf, wo Soliman auf die Forderung Vilackys, ihm durch
Tötung Achtung zu erweisen, entgegnet: „Christ, Menschen achten hab' ich
längst verlernt." (Körner 1834, 140) Körners Stück war N. in seiner Jugend
durchaus geläufig.
405, 5 f. Kant's Sieg über die theologische Begriffs-Dogmatik („Gott", „Seele",
„Freiheit", „Unsterblichkeit")] In der transzendentalen Dialektik der Kritik der
reinen Vernunft hat Kant diese Begriffe einer fundamentalen Kritik unterzogen,
da sie für die theoretische Vernunft unerkennbar bleiben, während er sie in
der Kritik der praktischen Vernunft als Postulate der praktischen Vernunft zu
rehabilitieren trachtete. „Ohne Freiheit kann die moralische Vollkommenheit
nicht erstrebt, ohne Unsterblichkeit der Seele nicht erreicht werden, ohne Gott
giebt es überhaupt keinen durch die Lauterkeit der Gesinnung bedingten Zu-
stand der Glückseligkeit, kein Verhältniß, in welchem die Glückseligkeit von
der Tugend abhängt." (Fischer 1869, 4, 171) In seinem Brief an Overbeck vom
20./21. 08. 1881 macht sich N. darüber lustig, dass Heinrich Romundt ihm ge-
schrieben habe, er baue „,die Lehre Kants von Gott — Seele — Freiheit — und
Unsterblichkeit wieder'" auf (KSB 6/KGB III 1, Nr. 139, S. 116, Z. 18 f., vgl. Ro-
mundt 1882 u. später Romundt 1885). In FW 335, KSA 3, 562, 13-19 gedenkt das
sprechende „Ich" „des alten Kant, der, zur Strafe dafür, dass er ,das Ding an
sich' — auch eine sehr lächerliche Sache! — sich erschlichen hatte, vom
,kategorischen Imperativ' beschlichen wurde und mit ihm im Herzen sich wie-
der zu ,Gott', ,Seele', ,Freiheit' und ,Unsterblichkeit' zurückverirrte, einem
Fuchse gleich, der sich in seinen Käfig zurückverirrt". Vgl. NK KSA 3, 562, 11-
21. Während Kant an dieser Stelle noch einigermaßen orientierungslos wirkt,
erscheint er dagegen in GM III 25 als findiger Kenner eines „Schleichweg[s]",
den er auch anderen weist (vgl. NK 405, 11-17).
405, 9 dass alle Art] In der Erstausgabe heißt es: „das alle Art" (Nietzsche
1887a, 174). Das ist ein Druckfehler, im Druckmanuskript steht korrekt „dass
alle Art" (GSA 71/27,2, fol. 60r).
405, 9 f. Transcendentalisten] Damit dürften die Anhänger der Transzendental-
philosophie Kants gemeint sein, auch wenn der Ausdruck an der einzigen an-
verstörbarkeit" übersetzt; N. hat die entsprechenden Stellen mit Randstrichen
markiert (Simplikios 1867, 100 u. 103).
405, If. der Verachtende ist immer noch Einer, der „das Achten nicht verlernt
hat"...] Das ist die Variation zu einem bekannten Satz von Friedrich Theodor
Vischer: „Es wird so viel heilig gehalten, daß der Mensch in Gefahr kommt,
über dem Anbeten das Achten zu verlernen." (Vischer 1873, 6, 213) Zu N.
und Vischer vgl. NK KSA 6, 359, 3-18, zur Logik des Achtens und Verachtens
bei N. siehe Politycki 1989, 127. Vischers Satz nimmt eine Zeile aus Theodor
Körners Drama Zriny auf, wo Soliman auf die Forderung Vilackys, ihm durch
Tötung Achtung zu erweisen, entgegnet: „Christ, Menschen achten hab' ich
längst verlernt." (Körner 1834, 140) Körners Stück war N. in seiner Jugend
durchaus geläufig.
405, 5 f. Kant's Sieg über die theologische Begriffs-Dogmatik („Gott", „Seele",
„Freiheit", „Unsterblichkeit")] In der transzendentalen Dialektik der Kritik der
reinen Vernunft hat Kant diese Begriffe einer fundamentalen Kritik unterzogen,
da sie für die theoretische Vernunft unerkennbar bleiben, während er sie in
der Kritik der praktischen Vernunft als Postulate der praktischen Vernunft zu
rehabilitieren trachtete. „Ohne Freiheit kann die moralische Vollkommenheit
nicht erstrebt, ohne Unsterblichkeit der Seele nicht erreicht werden, ohne Gott
giebt es überhaupt keinen durch die Lauterkeit der Gesinnung bedingten Zu-
stand der Glückseligkeit, kein Verhältniß, in welchem die Glückseligkeit von
der Tugend abhängt." (Fischer 1869, 4, 171) In seinem Brief an Overbeck vom
20./21. 08. 1881 macht sich N. darüber lustig, dass Heinrich Romundt ihm ge-
schrieben habe, er baue „,die Lehre Kants von Gott — Seele — Freiheit — und
Unsterblichkeit wieder'" auf (KSB 6/KGB III 1, Nr. 139, S. 116, Z. 18 f., vgl. Ro-
mundt 1882 u. später Romundt 1885). In FW 335, KSA 3, 562, 13-19 gedenkt das
sprechende „Ich" „des alten Kant, der, zur Strafe dafür, dass er ,das Ding an
sich' — auch eine sehr lächerliche Sache! — sich erschlichen hatte, vom
,kategorischen Imperativ' beschlichen wurde und mit ihm im Herzen sich wie-
der zu ,Gott', ,Seele', ,Freiheit' und ,Unsterblichkeit' zurückverirrte, einem
Fuchse gleich, der sich in seinen Käfig zurückverirrt". Vgl. NK KSA 3, 562, 11-
21. Während Kant an dieser Stelle noch einigermaßen orientierungslos wirkt,
erscheint er dagegen in GM III 25 als findiger Kenner eines „Schleichweg[s]",
den er auch anderen weist (vgl. NK 405, 11-17).
405, 9 dass alle Art] In der Erstausgabe heißt es: „das alle Art" (Nietzsche
1887a, 174). Das ist ein Druckfehler, im Druckmanuskript steht korrekt „dass
alle Art" (GSA 71/27,2, fol. 60r).
405, 9 f. Transcendentalisten] Damit dürften die Anhänger der Transzendental-
philosophie Kants gemeint sein, auch wenn der Ausdruck an der einzigen an-