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Pütter, August; Trefftz, Erich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1927, 4. Abhandlung): Chemische Reizwirkung und Giftwirkung — Berlin, Leipzig, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.43531#0023
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Chemische Reizwirkung und Giftwirkung.

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nur in unmittelbarer Nähe der Membran des Reizraumes, an der die
Polarisationsprodukte angehäuft werden. Die Beziehung zwischen Reiz-
stärke und Reizzeit ist dementsprechend ganz anders. Im einfachsten
Fall ist näherungsweise der Ausdruck J • Jif = constans (Nernst).'
In beiden Fällen, bei der Reizung durch Licht wie bei der Reizung
durch Konzentrationsänderung der Ionen, entfalten schwache und starke
Reize ihre Schwellenwirkung am gleichen Ort.
Demgegenüber lehren die vorstehenden Untersuchungen, daß bei
der Wirkung chemischer Reize (und ebenso bei der Giftwirkung) eine
neue Verwicklung hinzutritt, die darin besteht, daß die Schwelle bei
Reizung mit schwachen Reizen an einer ganz anderen Stelle
erreicht wird als bei Reizung mit starken Reizen. Diese Vorstellung
der räumlichen Unterschiede bei der Wirkung verschieden starker
Reize scheint mir von grundsätzlicher Bedeutung.
Man darf wohl sagen, daß die chemische Reizung den allgemeinsten
Fall der Reizung darstellt und daß sie alle anderen Reizarten an Be-
deutung übertrifft, denn die Einwirkungen, die die einzelnen Zellen oder,
allgemeiner gesagt, die einzelnen reizbaren Systeme im Organismus auf-
einander ausüben, können als chemische Reizwirkungen betrachtet
werden.
Die Vorstellung von der Verschiedenheit der Reizorte bei ver-
schiedenen Reizstärken führt unmittelbar auf eine wichtige Erweiterung
der Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Schwellenwirkung
(Schwellenerregung oder Giftwirkung bestimmter Art) eintritt. Bisher
haben wir stets festsetzen können: Sobald eine bestimmte Konzentration
erreicht wird, tritt die Wirkung ein. Dieser Ansatz war so lange be-
rechtigt, wie die Vorstellung berechtigt war, daß die Schwellen Wirkung
stets von dem gleichen Ort aus einsetzte. Dieser Ort war für den
elektrischen Reiz die Schicht, die in beliebig kleiner Entfernung von
der Membran liegt, an der die Polarisation erfolgt. Für den Lichtreiz
war es jeder beliebige Punkt des Reizraumes, weil ja alle Punkte als
gleichwertig betrachtet werden konnten.
Wenn nun aber der chemische Reiz je nach seiner Stärke bald
an diesem, bald an jenem Ort zur Wirkung kommt, so fragt es sich,
ob für alle diese Punkte die Schwelle gleich hoch liegt. Wir haben
bisher die Annahme gleicher Empfindlichkeit für die ganze Strecke
vom Rande bis zur Mittelebene der Platte gemacht. Das ist der ein-
fachste Fall, aber es ist leicht einzusehen, daß er keine innere Not-
wendigkeit zum Ausdruck bringt. Wir wissen, daß, morphologisch
 
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