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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1933, 4. Abhandlung): Max Wolf: 1863 - 1932, ein Gedenkblatt — Berlin, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.43671#0012
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Wenn wir davon sprachen, daß das Zentralproblem der Astro-
nomie im 19. Jahrhundert das Problem der Bewegungsvorgänge im
Planetensystem war, so ist doch schon im Laufe des 19. Jahrhunderts
ein zweites Problem an dessen Seite getreten: die Frage nach dem
Aufbau und den Bewegungsvorgängen im Sternsystem. Noch
Kepler hatte der Harmonie des Planetensystems das Chaos der
Sternenwelt gegenüber gestellt. Erst Wilhelm Herschel hat an
der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert versucht, dieses Chaos
aufzuhellen, und eine Anzahl von Forschern hat sich in der Folge-
zeit mit den Fragen nach den Gesetzmäßigkeiten des Sternsystems
weiter beschäftigt. Über Versuche kommt es allerdings nicht
hinaus. Das Beobachtungsmaterial, zu einem großen Teil noch
von Herschel am Fernrohr mühsam zusammengetragen, stellt
sich immer wieder als unzulänglich heraus.
Da kommt die Himmelsphotographie, die es gestattet, den
Himmel im Bild festzuhalten, und da erkennt vor allem Max Wolf,
daß man zur Erforschung des Aufbaus des Kosmos die photo-
graphische Optik den besonderen Aufgaben anpassen muß. Bis
dahin hatte man in der Astronomie, auch in Verbindung mit der
photographischen Platte, den üblichen Fernrohrtypus benutzt,
der immer nur einen kleinen Bereich des Himmels zeigt. Wolf
stellt das Porträtobjektiv von kurzer Brennweite in den Dienst
der astronomischen Forschung, und nun zeigen sich mit einem
Mal ganz neue Möglichkeiten; eine neue, ungeahnte Welt erschließt
sich dem jungen Forscher.
Die Milchstraße (Bild 3) zeigt sich in einer Vielgestaltigkeit, welche
die direkte Beobachtung am Fernrohr nie ahnen ließ; dichte Stern-
wolken wechseln mit fast völlig sternleeren Gegenden, weit aus-
gedehnte Nebelmassen ballen sich in einzelnen Teilen des Milch-
straßenringes zusammen; diese Milchstraßennebel werden von
Wolf vielfach zum erstenmal wahrgenommen, beschrieben und
vermessen; auch wird zum erstenmal versucht, die Sterndichte
durch Abzählungen auf der photographischen Platte festzulegen.
Die Erforschung des räumlichen Aufbaus des Kosmos wird mit
einem Schlag auf eine neue Basis gestellt.
Aber die photographische Platte registriert nicht nur die
Sterne, sondern alles was sich am Himmel zeigt; Kometen und
Sternschnuppen, und vieles andere. Die kleinen Planeten zeichnen
ihren Lichtweg auf der Platte ein, und ihre Spur kann vermessen
werden. Am 22. Dezember 1891 findet Wolf auf photographischem
 
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