P. Vogel:
werden sie als Bewegungen der Objekte des Außen erlebt. Aus der
geradezu klassischen Schilderung, die Purkinje von seinem Dreh-
versuch gibt, geht mit aller Deutlichkeit hervor, welches Erlebnis
dieser Deutung des Schwindels zugrunde liegt: dies nämlich, daß
bei fortgesetzter Umdrehung die Drehbewegung des Körpers sich
immer mehr einschwingt, immer leichter wird, geradezu von selbst
abläuft, und daß beim Stehenbleiben vom Subjekt ein deutlicher
Widerstand zu überwinden ist. In diesem Widerstand erscheint
dem Subjekt eine ,,fremde Kraft“, die den Körper weiterdrehen will.
Sie wird bewußt als Scheinbewegung der sicht- und tastbaren Außen-
welt, wenn das Subjekt sich sehend und tastend mit ihr in Ver-
bindung setzt.
Purkinje’s phänomenologische Analyse deckt also im Schwin-
del eine eigentümliche Dynamik zwischen Subjekt und Außenwelt,
zwischen Ich und dem Fremden auf. Sie zeigt, wie im Ablauf eines
Schwindelversuches die Kräfte sich verschieben und sich wandeln;
ursprünglich Bewußtes, Willkürliches, zum Ich Gehöriges bewußtlos
wird, als ,,fremde Kraft“ erscheint und verkannt wird als Schein-
bewegung der Außenwelt. Wie ein Kampf entsteht, der sympathisch
alle Sinneskreise ergreift, einen Aufruhr im vegetativen Leben stiftet
und so eine Erschütterung der ganzen Person herbeiführt.
Purkinje und Flourens.
Im Jahre 1822 erschienen Flourens’ „auf Versuche gegründete
Untersuchungen der Kräfte und Verrichtungen des Nervensystems“.
Mit diesen Untersuchungen wollte Flourens die Kräfte des Nerven-
systems und den Anteil bestimmen, den die verschiedenen Teile (das
Gehirn, das Kleinhirn, das Rückenmark usw.) bei den sogenannten
willkürlichen Bewegungen, denen der Ortsveränderung, des Erfassens
usw. haben. Was Albrecht von Haller und seine Schüler noch unklar
tastend begonnen hatten, nämlich experimentell bei Tieren Gehirn-
verletzungen zu setzen und deren Folgen zu studieren, das wurde
von Flourens in systematischer Weise zu einer Methode der Gehirn-
forschung ausgebaut. Den verschiedensten Tieren der Wirbeltier-
reihe wurden nach Freilegung bestimmte Hirnteile teilweise oder
ganz exstirpiert. Dann wurde das Verhalten dieser Tiere vor allem
bei ihren motorischen Leistungen beobachtet. Es wurde festgestellt,
was sie nicht mehr konnten und was sie an Ausfällen boten. Und es
wurde gefolgert, daß der weggenommene Hirnteil normalerweise die
werden sie als Bewegungen der Objekte des Außen erlebt. Aus der
geradezu klassischen Schilderung, die Purkinje von seinem Dreh-
versuch gibt, geht mit aller Deutlichkeit hervor, welches Erlebnis
dieser Deutung des Schwindels zugrunde liegt: dies nämlich, daß
bei fortgesetzter Umdrehung die Drehbewegung des Körpers sich
immer mehr einschwingt, immer leichter wird, geradezu von selbst
abläuft, und daß beim Stehenbleiben vom Subjekt ein deutlicher
Widerstand zu überwinden ist. In diesem Widerstand erscheint
dem Subjekt eine ,,fremde Kraft“, die den Körper weiterdrehen will.
Sie wird bewußt als Scheinbewegung der sicht- und tastbaren Außen-
welt, wenn das Subjekt sich sehend und tastend mit ihr in Ver-
bindung setzt.
Purkinje’s phänomenologische Analyse deckt also im Schwin-
del eine eigentümliche Dynamik zwischen Subjekt und Außenwelt,
zwischen Ich und dem Fremden auf. Sie zeigt, wie im Ablauf eines
Schwindelversuches die Kräfte sich verschieben und sich wandeln;
ursprünglich Bewußtes, Willkürliches, zum Ich Gehöriges bewußtlos
wird, als ,,fremde Kraft“ erscheint und verkannt wird als Schein-
bewegung der Außenwelt. Wie ein Kampf entsteht, der sympathisch
alle Sinneskreise ergreift, einen Aufruhr im vegetativen Leben stiftet
und so eine Erschütterung der ganzen Person herbeiführt.
Purkinje und Flourens.
Im Jahre 1822 erschienen Flourens’ „auf Versuche gegründete
Untersuchungen der Kräfte und Verrichtungen des Nervensystems“.
Mit diesen Untersuchungen wollte Flourens die Kräfte des Nerven-
systems und den Anteil bestimmen, den die verschiedenen Teile (das
Gehirn, das Kleinhirn, das Rückenmark usw.) bei den sogenannten
willkürlichen Bewegungen, denen der Ortsveränderung, des Erfassens
usw. haben. Was Albrecht von Haller und seine Schüler noch unklar
tastend begonnen hatten, nämlich experimentell bei Tieren Gehirn-
verletzungen zu setzen und deren Folgen zu studieren, das wurde
von Flourens in systematischer Weise zu einer Methode der Gehirn-
forschung ausgebaut. Den verschiedensten Tieren der Wirbeltier-
reihe wurden nach Freilegung bestimmte Hirnteile teilweise oder
ganz exstirpiert. Dann wurde das Verhalten dieser Tiere vor allem
bei ihren motorischen Leistungen beobachtet. Es wurde festgestellt,
was sie nicht mehr konnten und was sie an Ausfällen boten. Und es
wurde gefolgert, daß der weggenommene Hirnteil normalerweise die