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Vogel, Paul; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1933, 5. Abhandlung): Studien über den Schwindel — Berlin, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.43672#0018
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18

P. Vogel:

diese uns in elementarer Form eine Erkenntnis. Sie sind auf einen
Vorgang bezogen, der in ihnen wahrgenommen wird. Sie geben
Kunde davon, daß eine Drehung oder genauer ausgedrückt, eine
Winkelbeschleunigung unseres Körpers stattfindet. Außerdem wird
in ihnen die Richtung dieser Drehung bewußt. Nicht nur Bewegun-
gen in gekrümmter Bahn werden in dieser Weise perzipiert, sondern
auch geradlinige Bewegungen. Neben den Drehempfindungen gibt
es Empfindungen der Progressivbewegungen. Diesen Bewegungs-
empfindungen des Körpers wird nun eine durchaus selbständige und
eigentümliche Stellung neben den anderen Sinnesempfindungen zu-
erkannt. Wie eine neue Sinnesmodalität werden sie in der Physio-
logie behandelt. Ihr Zustandekommen ist analog dem der anderen
Sinnesempfindungen in spezifischer Weise einem bestimmten Organ
zugeordnet, nämlich dem Labyrinth. Entsprechend den Grund-
sätzen von Johannes Müller formuliert Mach, daß die Ampullen-
nerven die spezifische Energie haben, auf jeden Reiz mit einer Dreh-
empfindung zu antworten. Mach hat weiter versucht, in ähnlicher
Weise die Empfindungen der Progressivbewegungen und diejenigen
der Lage als spezifische Sinnesenergien des Otolithenapparates zu
beschreiben. Über die Einzelheiten ist viel diskutiert worden. Die
weitere Forschung ist der MACHSchen Lehre nicht in allen Punkten
gefolgt. So ist es W. Nagel recht zweifelhaft, ob das, was für die
Drehempfindungen gilt, auch auf die andern Bewegungsempfindun-
gen des Körpers ausgedehnt werden kann, da für diese auch noch
andere Quellen als die labyrinthären Erregungen in Frage kommen
(Verschiebungen der einzelnen Teile des Körpers gegeneinander,
Sensationen von seifen der inneren Organe usw.). Als adäquate
Reize dieses Sinnesorganes gelten vor allem solche der Massen-
beschleunigung und der Zentrifugalkraft. Für die Reizübertragung
auf die Sinnesnerven wird in der MACH-BREUERschen Theorie der
Labyrinthfunktion eine sehr einleuchtende Vorstellung gefunden,
die wichtige Tatsachen, wie das Aufhören der Drehempfindung nach
einigen Umdrehungen und das Auftreten des Nachschwindels am
Schluß verständlich macht. Von Bedeutung ist dabei, daß für das Zu-
standekommen der Drehempfindungen und ihr Verhalten im einzelnen
stets die physikalischen Vorgänge im peripheren Rezeptor, gleichgültig
wie sie auch immer gedeutet wurden, als das ausschlaggebende Moment
angesehen wurden, obwohl diese für das vestibuläre System eigent-
lich nicht mehr darstellen wie die Dioptrik für das Optische. Der Akt
der Wahrnehmung findet durch sie keine hinreichende Fundierung.
 
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