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Hattingberg, Immo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [VerfasserIn] [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse (1939, 10. Abhandlung): Sensibilitätsuntersuchungen an Kranken mit Schwellenverfahren: aus der Nervenabteilung der Medizinischen Klinik der Universität Freiburg i. Br — Heidelberg, 1939

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43768#0098
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an Kranken mit Schwellenverfahren

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Möglichkeit, daß ein primitiver Hautsinn, der etwa in dem Netz-
werk bestünde, das zwischen den Sinnespunkten liegt, in beson-
ders empfindlichem Zustand fähig würde, durch inadaequate Reize
in Druck-, Schmerz- oder Kälteerregung zu geraten. Von mir
wurde die inadaequate Kälteempfindung nur in der Nähe von
Kältepunkten, der Schmerz nur an Schmerzpunkten gefunden,
sodaß man mit der Annahme einer krankhaften Schwellensenkung
an den Punkten selbst auskommen würde. Auffallend bleibt trotz-
dem, daß die Kälte-, Schmerz- und Drucküberempfindlichkeit in
solchen Fällen fast immer gleichzeitig auftreten und verschwinden.
Sie sind also aneinander in unbekannter Weise gebunden. Wie
Foerster betont, ist eine Erklärung dieser Vorgänge heute noch
nicht möglich. Es gelingt aber immer besser, durch sorgfältige
Beobachtung ihre Bedingungen kennen zu lernen.
D) Der Funktionswandel. Folgerungen aus dem Umstimmungs-
versuch über die Leistungsweise des Hautsinnes.
Wenn wir den Wert eines Versuches allein nach seiner exakten
Wiederholbarkeit beurteilen, so sind die Kranken die denkbar
ungeeignetsten Versuchspersonen für sinnesphysiologische Fragen.
Wir wissen nie, wie weit sie bei Stimmung sind, ob sie müde
sind und wie sie ihre Beschwerden verarbeiten. Erst die Unter-
suchung über längere Zeit bei feststehenden Bedingungen, erst
der Umstimmungsversuch in der Form, wie er durch Stein und
v. Weizsäcker in die Schwellenverfahren eingeführt wurde, gibt
hier einen brauchbaren Maßstab. Erst durch seine Anwendung
gelingt es, die zufälligen von den gesetzmäßigen Erscheinungen
abzutrennen, die Bedeutung der psychologischen Bedingungen
richtig einzuschätzen.
Nach der Deutung v. Weizsäcker’s beruht die Schwellenver-
änderlichkeit, soweit sie nicht durch Unachtsamkeit hervorgerufen
ist, auf dem „Funktionswandel“. Der Erregungsablauf im ganzen
System des Drucksinnes, die Frequenz der Potentialschwankungen,
die refraktäre Phase der Erregung werden anders. Dabei muß die
histologische Struktur nicht bleibend verändert sein. Wenn wir
im Umstimmungsversuch bei einer Tabes oder einer Thalamus-
schädigung beobachten, wie durch eine einheitliche Reizung in
kurzer Zeit die verschiedenen Empfindungsarten oder sogar Qua-
litäten durchlaufen werden, so können wir uns nichts anderes
denken, als daß sich die Funktion wandelt. Andererseits werden
 
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