Metadaten

Lehmann, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1913, 13. Abhandlung): Neue Untersuchungen über flüssige Kristalle, 3 — Heidelberg, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37372#0021
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Neue Untersuchungen über flüssige Kristalle. III. (A. 13) 21

auf verschiedenen optischen Täuschungen beruht und in keiner
Weise geeignet ist, die Erscheinungen zu erklären. Die hypo-
thetische Ölsäurehaut der Myelinformen existiert nicht und Ober-
flächenspannungsdifferenzen einer solchen kommen also nicht in
Betracht. Die Myelinformen sind vielmehr lediglich flüssige
Kristalle von eigenartiger Molekularstruktur. Ihre Oberflächen-
spannung ist an allen Stellen dieselbe, und die Ausbildung ihrer
Form beruht auf Wirkung derselben Gestaltungskraft, welche
überhaupt die Gestaltung der flüssigen Kristalle bedingt im Verein
mit Oberflächenspannungsänderungen durch Quellung.Aller-
dings läßt sie sich aus Bekanntem nicht ohne weiteres ableiten,
es handelt sich Um Kraftwirkungen, welche die bisherige Physik
nicht kennt und deren Studium voraussichtlich Aufklärung bringen
wird für manche bisher physikalisch unerklärliche Kraftwirkungen
im Bereiche der organischen Natur; denn die Myelinformen und
die ihnen verwandten scheinbar lebenden Kristalle sind die ein-
zigen leblosen Gebilde mit weitergehender Analogie zu den Er-
scheinungsformen bei Organismen, die doch aus denselben Mole-
külen bestehen wie die leblosen Stoffe.
Die normalen flüssigen Kristalle des neutralen Ammonium-
oleathydrats sind mit den Myelinformen durch stetige Übergänge
verbunden, obschon eigentlich das Quellungswasser nach stöchio-
metrischen Verhältnissen, also staffelweise auf genommen werden
sollte. Nimmt man an, daß außer dem in Form der normalen
flüssigen Kristalle auftretenden Hydrat nur ein einziges zweites
wasserreicheres möglich sei, dessen Zusammensetzung gegeben
ist durch die größte Menge Wasser, welche die flüssigen Kristalle
aufzunehmen vermögen, so könnte man sich den stetigen Über-
gang dadurch erklären, daß die beiden flüssig-kristallinischen
Hydrate Mischungen in allen möglichen Verhältnissen bilden
können, und daß derartige Mischkristalle um so leichter flüssig
erscheinen und um so 'geringere Gangdiifferenz der durch Doppel-

42; Das Experiment, welches ich früher zugunsten des Einflusses der
Ölsäure anführte (Uüe& 56, 776, Fig. 2, 1894), war verfehlt. Augen-
scheinlich hatte eine zufällige Strömung in der Flüssigkeit gerade den entgegen-
gesetzten Effekt hervorgebracht, als er eintreten maß. Die Myelinformen bilden
sich da, wo freie Ölsäure vorhanden ist nur schwierig oder gar nicht, sehr
gut dagegen, wo Olsäure fehlt. In sehr geringem Maße entstehen sie aus
saurem Ammoniumoleat, und zwar nur deshalb, weil sich daraus durch Be-
rührung mit Wasser teilweise neutrales Oleat bildet.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften