Probleme komplexer Moleküle I.
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Ladung auftreten können, mußte es erstaunlich erscheinen, daß eben-
dieselben Moleküle der Flüssigkeit, welche an deren Oberfläche die
elektrische Ladung tragen sollen, ohne diese Ladung in den Dampf-
raum entweichen, während doch diese Ladung sogar einen beson-
deren, gegen den Dampfraum hin gerichteten Zug durch die Kräfte
des Feldes erfährt. Das Rätselhafte des Vorgangs scheint mir bis-
her nicht aufgeklärt, ja überhaupt kaum hervorgehoben worden
zu sein, und zwar, wie es scheint, nicht deshalb, weil man die Auf-
klärung für auf der Hand liegend oder unfruchtbar und daher nicht
erwähnenswert gehalten hätte. Es wird sich im Folgenden zeigen,
daß das Verständnis des Vorganges zugleich auch für eine Reihe
anderer, bisher wenig geklärter Fragen von Belang ist.
Erklärung des Nichtabdampfens der Ladung. — Zu
einer Erklärung dieses Nichtabdampfens kann man nur kommen,
wenn man auf die Struktur des elektrischen Feldes über der Flüssig-
keit eingehts). Die an der Flüssigkeitsoberfläche sitzende elektrische
Ladung besteht dann aus einzelnen Elementarquan-ten, und man
berechnet leicht, daß bei dem stärksten Felde, welches in Luft von
i Atm. Druck über einer Flüssigkeit dauernd hergestellt werden
kann — ca. 40000 Volt/cm — eine Oberflächenladung vorhanden
ist, welche ca. 2.10^° Elektronen pro cm^ entspricht. Vergleicht
man diese Elektronendichte an der Flüssigkeitsoberfläche mit der
Zahl der Moleküle, welche auf 1 cnH der Oberfläche sitzen — rund
lOis bei gewöhnlicher, etwa 3.10*s cm betragender Linearabmes-
sung der Moleküle —, so sieht man, daß selbst bei jenem starken
Felde nur etwa jedes 50000ste Molekül Sitz elektrischer Ladung
zeigen können, daß in Wirklichkeit feste Partikel Staub") vorhanden waren.
Dies alles zeigt, daß die ältere Anschauung vom Staub als Träger der Gas-
ladungen doch in sehr vielen Fällen — freilich aber nicht allgemein — zu
Recht besteht.
s) Es wurde schon früher hervorgehoben (P. LENARD und G. RAMSAUER,
Heidelb. Akad. 1911 A. 16, Note 50), daß im Verdampfungs- und Konden-
sationsproblem an elektrisch geladenen Oberflächen einer der Fälle vorzu-
hegen scheint, in welchen man auf die Elektronen als Träger einzelner Kraft-
linien eingehen müsse und in welchen die den MAxwELLSchen Gleichungen
zugrunde hegende Voraussetzung von der gleichmäßigen Beschaffenheit des
elektrischen Feldes bis in beliebig kleine Volumenelemente nicht mehr zu-
lässig ist. Die Betrachtung dieser Fragen von einem allgemeineren Gesichts-
punkt aus findet sich in dem Vortrag ,,Über Äther und Materie" (Ileidelb.
bei Winter, 2. Auf!. 1911).
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Ladung auftreten können, mußte es erstaunlich erscheinen, daß eben-
dieselben Moleküle der Flüssigkeit, welche an deren Oberfläche die
elektrische Ladung tragen sollen, ohne diese Ladung in den Dampf-
raum entweichen, während doch diese Ladung sogar einen beson-
deren, gegen den Dampfraum hin gerichteten Zug durch die Kräfte
des Feldes erfährt. Das Rätselhafte des Vorgangs scheint mir bis-
her nicht aufgeklärt, ja überhaupt kaum hervorgehoben worden
zu sein, und zwar, wie es scheint, nicht deshalb, weil man die Auf-
klärung für auf der Hand liegend oder unfruchtbar und daher nicht
erwähnenswert gehalten hätte. Es wird sich im Folgenden zeigen,
daß das Verständnis des Vorganges zugleich auch für eine Reihe
anderer, bisher wenig geklärter Fragen von Belang ist.
Erklärung des Nichtabdampfens der Ladung. — Zu
einer Erklärung dieses Nichtabdampfens kann man nur kommen,
wenn man auf die Struktur des elektrischen Feldes über der Flüssig-
keit eingehts). Die an der Flüssigkeitsoberfläche sitzende elektrische
Ladung besteht dann aus einzelnen Elementarquan-ten, und man
berechnet leicht, daß bei dem stärksten Felde, welches in Luft von
i Atm. Druck über einer Flüssigkeit dauernd hergestellt werden
kann — ca. 40000 Volt/cm — eine Oberflächenladung vorhanden
ist, welche ca. 2.10^° Elektronen pro cm^ entspricht. Vergleicht
man diese Elektronendichte an der Flüssigkeitsoberfläche mit der
Zahl der Moleküle, welche auf 1 cnH der Oberfläche sitzen — rund
lOis bei gewöhnlicher, etwa 3.10*s cm betragender Linearabmes-
sung der Moleküle —, so sieht man, daß selbst bei jenem starken
Felde nur etwa jedes 50000ste Molekül Sitz elektrischer Ladung
zeigen können, daß in Wirklichkeit feste Partikel Staub") vorhanden waren.
Dies alles zeigt, daß die ältere Anschauung vom Staub als Träger der Gas-
ladungen doch in sehr vielen Fällen — freilich aber nicht allgemein — zu
Recht besteht.
s) Es wurde schon früher hervorgehoben (P. LENARD und G. RAMSAUER,
Heidelb. Akad. 1911 A. 16, Note 50), daß im Verdampfungs- und Konden-
sationsproblem an elektrisch geladenen Oberflächen einer der Fälle vorzu-
hegen scheint, in welchen man auf die Elektronen als Träger einzelner Kraft-
linien eingehen müsse und in welchen die den MAxwELLSchen Gleichungen
zugrunde hegende Voraussetzung von der gleichmäßigen Beschaffenheit des
elektrischen Feldes bis in beliebig kleine Volumenelemente nicht mehr zu-
lässig ist. Die Betrachtung dieser Fragen von einem allgemeineren Gesichts-
punkt aus findet sich in dem Vortrag ,,Über Äther und Materie" (Ileidelb.
bei Winter, 2. Auf!. 1911).