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Lenard, Philipp [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1914, 27. Abhandlung): Probleme komplexer Moleküle, 1: Verdampfung und osmotischer Druck — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.37450#0006
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6 (A. 27)

P. Lenard:

isU). Nur bei jedem 50000sten Molekül, das bei der Verdampfung
aus der Flüssigkeit berausfährt, würde also überhaupt noch die
Frage sein, ob es dabei Ladung Suitnimmt oder ob nicht. Da aber
z. B. aus einer Wasseroberfläche von 80° C, deren Dampfdruck
ca. % Atmosphäre beträgt, etwa 10^ Moleküle pro cnU und Se-
kunde entweichen (nämlich ebenso viele Moleküle als aus dem
Dampfraum in der Sekunde gegen die Flüssigkeit stoßen, also eine
Zahl, die nach den Prinzipien der kinetischen Gastheorie leicht
berechnet wird), so ist ersichtlich, daß trotz der relativ kleinen
Zahl der geladenen Moleküle fast die gesamte Ladung der Flüssig-
keitsoberfläche schon in geringem Bruchteil einer Sekunde ent-
wichen sein müßte, falls die geladenen Moleküle samt ihren La-
dungen verdampften. Das beobachtete Besultat des Nichtent-
weichens der Ladung trotz intensiver Verdampfung führt also
notwendigerweise zur Annahme, daß zwar die ungeladenen Mole-
küle (welche in unserer Vorstellung mit dem darüber hegenden
elektrischen Felde nichts zu tun haben) ungehindert verdampfen,
wie bei ungeladener Flüssigkeit, daß aber die wenigen geladenen
Moleküle überhaupt nicht verdampfen. Es kommt daher
in unserer Vorstellung nur mehr auf eine Erklärung der letzteren
Eigentümlichkeit an, und hierfür können nach allem Bekannten
ohne weiteres die Anlagerungen in Betracht kommen, welche
erfahrungsmäßig um alle Moleküle sich bilden, die überhaupt
dauernd Ladung zu tragen vermögen^). Es sei in dieser Beziehung
an die Elektrizitätsträger im Gaszustand erinnert, von welchen ich
durch Anwendung richtiger Prinzipien zu deren Größenermittlung
gezeigt habe, daß sie stets —- wenn auch ursprünglich monomole-
kular — ziemlich große Gruppen von Molekülen sind°), und an die
elektrolytischen Ionen, von welchen seit den Untersuchungen von
F. KoHLRAuscn ebenfalls bekannt ist, daß sie Komplexe der
eigentlichen Ionen mit einer Anzahl neutraler Moleküle des Lö-

b In unserer Vorstellung, daß an jedem Elektron nur eine Kraftlinie
(Ätherwirbelfaden) sitze, würde demnach selbst in jenem starken Felde die
Kraftliniendichte doch so gering sein, daß nur an jedem 50 000sten Molekül
der das Feld begrenzenden Oberfläche eine Kraftlinie endet.
s) Siehe P. LENARD, Ann. d. Phys. 41, S. 71, 72, 87 ff., 1913.
o) Kürzlich habe ich zeigen können (Heidelb. Akad. 1914 A. 17. S. 29ff.),
daß dies zum Teil sogar auch in Flammen gilt, wo man wegen der hohen
Temperatur am ehesten ausschließlich monomolekulare oder sogar einatomige
Träger hätte vermuten können.
 
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