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Goldschmidt, Victor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1921, 12. Abhandlung): Über Complikation und Displikation — Heidelberg: Winter, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.56266#0004
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Victor Goldschmidt:

Es ergab sich somit, daß das Gesetz der Complikation nicht
den Krystallformen allein eigentümlich ist, daß es vielmehr ein all-
gemeines Naturgesetz ist, das die Entwicklung des Mannigfaltigen
aus dem Einfachen in vielen, vielleicht in allen Gebieten der schaf-
fenden Natur beherrscht, und es lag die Vermutung nahe, es ließe
sich das Gesetz in Gestalt einer Funktion fassen, deren mathema-
tischer Ausbau in den mechanischen und erkenntnismäßigen Ausbau
aller der Gebiete eingreifen könnte, in denen das Gesetz der Com-
plikation an getroffen wird.
Es soll nun hier ein erster Versuch gemacht werden, das Gesetz
und die Operation der Complikation zu einer mathematischen Funk-
tion auszugestalten. Zu diesem Zweck sollen Eigenschaften der
Funktion in ihrer arithmetischen, algebraischen, geometrischen und
mechanischen Gestalt aufgesucht und durch deren Zusammenstellung
die werdende Funktion geklärt und gefestigt werden. Vielleicht
finden es Mathematiker der Mühe wert, sich des Ausbaues derselben
anzunehmen und dadurch der Naturwissenschaft zu Hilfe zu kommen.
Jede mathematische Operation hat ihre Gegenoperation. Es
führt kein Weg hinauf, der nicht hinab führte. Manchmal ist der
Aufstieg leichter, manchmal der Abstieg. Ebenso bringt jede Funk-
tion ihre Gegenfunktion. Addition bringt Subtraktion mit sich, die
Potenz die Wurzel. Danach ist auch für die Complikation als Ope-
ration und als Funktion eine Gegenoperation resp. Gegenfunktion
aufzustellen. Letztere soll hier unter dem Namen Displikation
eingeführt werden. Der Ausbau einer Funktion bringt jedesmal den
der Gegenfunktion mit sich, indem jede Eigenschaft der Funktion
ihr Korrelat in der Gegenfunktion hat.
Im Folgenden werden einige Eigenschaften der Complikations-
Funktion entwickelt, von der Displikation wird einstweilen nur
wenig ausgesagt. Es ist erst der Anfang der Untersuchung.
Da die meisten Leser, auch die Mathematiker und Physiker
sich (leider) mit den Krystallformen wenig beschäftigt haben, sei
es gestattet, hier anzudeuten, um was es sich bei der Entwicklung
der Krystallformen nach dem Gesetz der Complikation handelt. Zu
diesem Zweck wollen wir aus der Schrift „Über Harmonie und
Complikation“ einige Stellen abdrucken. Wir lesen:
Entwicklung der Krystallformen.
Krystalle sind bei ungestörter Ausbildung von ebenen Flächen
bedeckt. Jede Krystallart hat ihr Formen-System, d. h. die an ihr
 
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