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Goldschmidt, Victor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1921, 12. Abhandlung): Über Complikation und Displikation — Heidelberg: Winter, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.56266#0011
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Über Complikation und Displikation. 11
In der organischen Natur nennt man die Entwicklung vom Einfachen zum
Complizierten Differenzierung. Wir könnten diesen Ausdruck auf das un-
organische Gebiet übertragen. Wir wollen jedoch den Begriff spezieller lassen und
mathematisch formulieren. Da aber Differenzieren in der Mathematik bereits eine
feste Bedeutung hat, so wurde ein anderes Wort: Complikation gewählt.
Complikation ist Spaltung (Division) und Zusammenlegen
der Teile (Addition). Durch Division allein kann die Mannig-
faltigkeit in der Natur nicht entstehen (es fehlt die Bildung neuer
Richtungen); durch Addition auch nicht (es fehlt die Vermehrung
der Einzelkräfte); wohl aber durch beide zusammen.
Complikation im engeren Sinn. Die einfachste Teilung ist
die Halbierung; die einfachste Addition die Vereinigung von je
einem Teil. Wir wollen diesen wichtigsten Fall Complikation im
engeren Sinn nennen und ihn voraussetzen, wenn wir im Folgenden
von Complikation reden.

Complikation auf verschiedenen Gebieten.
In zwei Abhandlungen1 habe ich versucht, aus dieser einfachen
Annahme die Entwicklung der Krystallformen in ihrer ganzen
Mannigfaltigkeit abzuleiten (vgl. S. 4). Eine Transformations-
Formel p — (z — zj : (z2 — z) gestattete, alle krystallographischen
Zahlenreihen auf eine einfache, vergleichbare Form, die der Normal-
reihen N = 0 • • • 1 • • • oo zu bringen. Eine Diskussion der beob-
achteten Zahlenreihen ließ die Anfänge der Entwicklung (Primär-
knoten), die Richtung der Primärkräfte (senkrecht zu den Primär-
flächen) bei den verschiedenen Krystall arten finden, für die Einzel-
flächen Rang und Wahrscheinlichkeit feststellen. Das lieferte die
Unterlage für eine Kritik der Beobachtungen2 und gestattete unter
Umständen das Voraussagen noch nicht beobachteter Formen.3 Diese
Konsequenzen hat die Erfahrung bestätigt und dadurch das Gesetz
für die Krystallographie gesichert.
Aber auch auf anderen Gebieten zeigte sich das Gesetz der
Complikation herrschend. So bei den Tönen unserer Musik, wie
oben gezeigt wurde. Die Transformations-Gleichung p = (z — zt):
(z2 — z), speziell p — (z — 1): (2 — z), an gewendet auf die Schwing-
ungszahlen der harmonischen Töne, führte zu den harmonischen
1 Zeitschr. f, Kryst. 1897. 28. S. 1 u. 414.
2 Ebenda S. 426.
3 Ebenda S. 446.
 
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