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Goldschmidt, Victor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1921, 12. Abhandlung): Über Complikation und Displikation — Heidelberg: Winter, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.56266#0059
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Über Complikation und Displikation.

wir weiter gabeln, so mögen die Kinder die Arme ausstrecken und
in jeder Hand zwei Fähnchen tragen. Eine einfache Kunstform
der Furkation ist die menschliche Gestalt mit erhobenen Armen.
Furkation in der Musik. Bei Studien über Aufbau der Musik-
stücke zeigte sich die Furkation (im Verein mit der Complikation)
als ein wesentliches Bildungsprinzip. Eine Anzahl Beispiele wurde
in der Schrift „Über Harmonie und Complikation“ 1901, Seite 42—57
gegeben. Ein Beispiel weitgehender Furkation bietet das Stabat
Mater von Palestrina (S. 54). Aus dem Grundton wächst das Werk
organisch heraus durch Furkation und Complikation, wie der Baum
mit seinen Ästen und Zweigen. Die Ähnlichkeit ist keine zufällige.
Der Komponist folgt dem Gesetz, ohne es zu wissen. Für das
Einzelne muß ich auf
genannte Schrift ver- Accordel 11 1 111,, 11(| 1 111111 111111
weisen. Einiges bringt . rfc \/ W \/ \/ \l/ \LZ W \l/
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Srundtone d-Teile
Srunjlton 4- Stuckes

monische Analyse von
Musikstücken “. Beiste-
hende (Fig. 41) gibt ein
Schema vom Aufbau

Fig. 41.

eines Musikstückes.
Der Bau der Musikstücke in seiner Gliederung in großen Ab-
teilungen hinab bis zu den einzelnen Akkorden, die größten wie
die kleinsten Werke, Bachs Mathäuspassion und das Liedchen vom
Prinz Eugen, sind bis ins Feinste beherrscht durch die Gesetze der
Furkation und der Complikation. Und zwar gilt das nicht nur für
den harmonischen Bau der Stücke, d. h. für die Akkorde und
deren Verband, sondern auch für den melodischen Bau, d. h.
für das Gefüge der Töne in der Melodie. Letzteres soll an anderer
Stelle dargelegt werden, bei Gelegenheit von Untersuchungen über
das Wesen der Melodik. Die Untersuchungen sind soweit fertig,
daß obige Behauptung aufgestellt werden kann.
Furkation und Complikation. Die Complikation setzt eine
Furkation voraus, d. h. die Bildung der beiden Endknoten, zwischen
denen die harmonische Differenzierung (Complikation) sich voll-
zieht. Andererseits kann die mehrfache Gabelung aus einem Knoten
(Multifurkation) zugleich Complikation sein, so daß die Zinken der
Gabel eine harmonische Gruppe bilden. Das ist nicht immer der
Fall. Eine Katze kann zugleich 6 Junge zur Welt bringen, die
 
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