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Goldschmidt, Victor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1921, 12. Abhandlung): Über Complikation und Displikation — Heidelberg: Winter, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.56266#0079
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Über Complikation und Displikation. 79
schließen zwingt. Diese Frage möchte ich ohne eingehende Prüfung
nicht entscheiden, doch vermute ich, daß letztere Annahme zu-
treffend ist.
Scheinbare Ausnahmen. Einige Beispiele scheinbarer Aus-
nahmen mögen angeführt werden:
1. Gruppierung. Das Zusammentreten freier Elemente zu einem
Ganzen nennen wir Gruppierung. Es gibt harmonische Gruppie-
rungen, z. B. in der Kunst. Es wird jedoch solche Gruppierung,
soweit sie Menschenwerk ist, von dem menschlichen Geist geleitet
und dürfte nichts weiter sein, als ein in die Außenwelt getragenes
Abbild (Objektivierung) eines geistigen Vorgangs, der durch Gabelung
(im Aufnahmsorgan) aus einem Ganzen entstanden ist und deshalb
dem Gesetz der Complikation folgt.
2. Die Planeten und Satelliten bilden harmonische Gruppen
und ordnen sich nach dem Gesetz der Complikation um den Zentral-
körper. Sie stehen scheinbar frei und einzeln nebeneinander. Aber
es läßt sich zeigen, daß sie sich aus einem Ganzen durch harmo-
nische Gliederung abgespalten haben. Gerade die harmonischen
Zahlen in den Sonnendistanzen beweisen, daß die Planeten sich
nicht einzeln von der Sonne losgelöst und sich ihren Ort im Welt-
raum gesucht haben. Nicht durch Gruppierung, sondern durch
Differenzierung hat sich unser Sonnensystem gestaltet. Daher
kommt es, daß dasselbe ein harmonisches Ganzes bildet.
Gabelung ist einer der elementarsten Entwicklungsprozesse in
der Natur. Sie entspricht, wie oben gezeigt, einer Abschnürung
ohne vollständige Trennung (Gliederung, nicht Teilung), wobei die
beiden neuen Gebilde freie Bewegung erhielten, nur gebunden im
Abschnürungspunkt. Die Gabelung kann sich, immer feiner werdend,,
beliebig wiederholen.
Ein Bild solcher Gabelung ist der Baum, von der ersten Fur-
kation im jungen Keim tausendfach wiederholt, ja millionenfach in
demselben Raum. Wie viele Gabelungen mag eine tausendjährige
Eiche in ihren Ästen und Zweigen bis zum feinsten Trieb vollzogen
haben. Und dabei ist der Baum ein harmonisch gegliedertes Ganze
geblieben.
Mit der Bifurkation Hand in Hand geht die Trifurkation^
die Dreigabelung. Sie ist, wie wir sahen, eine wiederholte Bifur-
kation. Bei der Gabelung treten an Stelle des ursprünglichen
 
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