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Erb, Wilhelm Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1913, 4. Abhandlung): Die beginnende Klärung unserer Anschauungen über den Begriff der Metasyphilis des Nervensystems — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.37627#0027
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Metasyphilis des Nervensystems.

(B. 4) 27

Ausspruch Benedikts: ,,Tabicus non fit, sed nascitur“ bringt
das am prägnantesten zum Ausdruck! Ja, wenn man hinzufügen
würde: vorausgesetzt daß der „geborne Tabiker“ syphilitisch wird!
Bei aller Hochachtung vor der „angeborenen Disposition“,
die ja überall zur Bemäntelung unserer Unwissenheit herangezogen
wird (z. B. auch bei der Entstehung von allerlei traumatischen,
organischen Nervenleiden), kann ich mich doch der Überschätzung
derselben nicht anschließen.
Aber ich kam auf den Gedanken, mir aus dem vorhandenen
- wenn auch gewiß recht anfechtbaren — statistischen Material
eine gewisse zahlenmäßige Darstellung vom Wert der Anschau-
ungen über die „Disposition“ zu bilden.
Die besten hier verwendbaren Statistiken (ich will mich auf
Männer, überwiegend aus den besseren Ständen beschränken)
sind die von Pick undBANDLER1) über 1178Männer aus der derma-
tologischen Klinik in Prag, zitiert und durchgearbeitet von Oskar
Fischer (l.c.), und die von Mattauschek und Pilcz2) über 4134
luetisch erkrankte österreichische Offiziere, deren Schicksale
später katamnestisch verfolgt wurden. Sie ergaben:
bei Pick u. Bandler: 2,1% Paralysen und 1,6% Tabes = 3,7%
Metalues;
bei Mattauschek u. Pilcz: 4,76% Paralysen und 1,6% Tabes,
= 6,27% Metalues.
Also für die Tabiker die gleichen Zahlen (s. u. die Anmerkung)3),
näher einzugehen; ich kann nur sagen, daß sie mir durchaus keinen über-
zeugenden Eindruck gemacht hat. Der Verf. hat wohl ein gar zu einseitiges
Material (fast nur Tabische aus den ärmlichsten Bevölkerungsschichten, in
der Wiener Poliklinik) benützt und es an weitgehenden Ivontrolluntersuchun-
gen fehlen lassen. Sollte er seine Beobachtungen einmal an 150 oder 200
Tabikern der besseren, „wohlgenährten“ Stände kontrolliert und bestätigt
haben, dann läßt sich wohl weiter darüber reden.
Seine Arbeit enthält ja immerhin mancherlei interessante Anregungen,
wenn auch bei ihm die in Wien grassierende „pluriglanduläre Disposition“
wohl eine etwas zu große Rolle spielt.
ß Ph. J. Pick und Band ler: Arch. f. Dermat. und Syph., Bd. 101,1910.
2) E. Mattauschek und A. Pilcz: Beitr. zu Lues-Paralysefrage. Zeit-
schrift f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie. Bd. VIII, S. 133, 1912.
3) In einer soeben, nach Abschluß dieser Arbeit erschienenen 2. Mit-
teilung von Mattauschek und Pi lcz über die 4134 katamnestisch verfolgten
Fälle (1. c. Bd. XV, S. 608, 1913) berechnen die Verf. jetzt den Prozentsatz
von Tabes auf 2,73%, also wesentlich höher, den für die Paralyse auf
4,75 bzw. 4,78%, also ungefähr gleich dem früheren. Das ändert aber an
unseren folgenden Ausführungen nichts.
 
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