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Klebs, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1913, 5. Abhandlung): Über das Verhältnis der Außenwelt zur Entwicklung der Pflanzen: eine theoretische Betrachtung — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.37628#0013
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Verhältnis der Außenwelt zur Entwicklung der Pflanzen. (B. 5.) 13

Natur als die normale oder typische zu betrachten. Nach meiner
Auffassung ist diese Art der Entwicklung nur ein Spezialfall, der
eben durch die Beschaffenheit der betreffenden Außen-Bedingungen
bestimmt ist. Gerade die äußerst verwickelte Struktur einer leben-
den Pflanze läßt es möglich erscheinen, daß in ihr noch viele
andere Potenzen verborgen sind, die erst durch besondere äußere
Bedingungen zur Entfaltung gelangen. Ich sagte schon früher
(1904, S. 290): „Die organische Natur ist den in ihr schlummernden
Möglichkeiten nach sehr viel reicher, als sie sich in jenen als normal
oder typisch bezeichneten Erscheinungen darstellt. Wir haben
bisher zu sehr unter dem Bann der ganz einseitigen Auffassung
gestanden, als wäre das Normale das schlechthin Notwendige
für die Pflanze.“ Je mehr wir uns mit einer Pflanze beschäftigen,
um so stärker drängt sich dieser Gedanke auf. Bei Sempervivum-
Arten lassen sich erst auf dem Wege des Experimentes unter Be-
dingungen wie sie in der freien Natur selten oder nie existieren,
die allermannigfachsten Variationen der Entwicklung herbei-
führen. Wir können nicht ahnen wie weit wir später in diesen Din-
gen vorwärtskommen werden.
Die Auffassung über die Entstehung der Variationen mit
Hilfe der Außenwelt läßt sich sehr gut durch den Vergleich mit
dem Liesegang sehen System veranschaulichen. Wir haben vor-
hin das typische Bild der konzentrischen Ringe kennen gelernt.
An der Hand zahlreicher Versuche beschreibt Küster (1913)
eine Menge Abweichungen. Es treten Doppelringe auf, die Ringe
werden durchbrochen, durch Zickzacklinien und Bänder ver-
bunden, es entstehen Ringe mit zahlreichen Anastomosen, netz-
artige Figuren. Aus den Ringen können eine oder mehrere Spira-
len hervorgehen. Nimmt man zwei oder mehr Tropfen des Silber-
nitrats, so entstehen neue Formen: exzentrische Kreissysteme,
Schaumstrukturen, und alle diese verschiedenen Formen stimmen
mit bekannten anatomischen Strukturen der Pflanzen überein.
Diese Variationen des Liesegang sehen Systems werden durch
Änderungen der inneren Bedingungen mit Hilfe der Außenwelt
erhalten, wenn auch eine genauere Erklärung des Zusammenhanges
nur selten bis jetzt vorliegt. Doch hebt Küster hervor, wie durch
Einlagerungen, Berührung mit der Glasfläche, durch Fremd-
körper wie Luftblasen, Baumwollefäden usw. die Abweichungen
entstehen. Für unsere Betrachtung erscheinen diese Variationen
deshalb wichtig, weil wir daraus ersehen, daß selbst bei einem so
 
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