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Klebs, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1913, 5. Abhandlung): Über das Verhältnis der Außenwelt zur Entwicklung der Pflanzen: eine theoretische Betrachtung — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.37628#0035
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Verhältnis der Außenwelt zur Entwicklung der Pflanzen. (B. 5.) 35

8. Ort (1er Organbildung. Polarität.
Zahlreiche Entwicklungsvorgänge sind an der Pflanze räum-
lich gebunden. Wenn man eine Stengelachse betrachtet, so fällt
auf, daß sich an ihrer Basis anders gestaltete Seitenorgane ent-
wickeln als gegen die Spitze hin. Nahe der Basis entstehen Rhi-
zome, Ausläufer mit und ohne Knollen, Zwiebeln, Wurzeln,
gegen die Spitze hin belaubte Triebe oder Blütentriebe. Der Ort,
an welchem das Seitenorgan entsteht, bestimmt gleichsam seine
Form. Nach meiner hier vertretenen Auffassung kann nicht die
spezifische Struktur vorherbestimmen, an welchem Orte des Sten-
gels sich die Organe entwickeln. Darüber entscheiden die inneren
Bedingungen, die entsprechend den Tatsachen an den verschie-
denen Orten des Stengels eine verschiedenartige Beschaffenheit
haben müssen; dadurch wird die junge Knospe zu einer bestimm-
ten Richtung der Entwicklung geführt, obwohl in ihr die Po-
tenzen für ganz verschiedenartige Richtungen vorhanden sind.
Fragt man sich nun, worauf die Verschiedenheit der inneren Be-
dingungen beruht, so wird man auch hier die Außenwelt als mit-
wirkenden Faktor voraussetzen müssen. Aus dem Verhältnis von
inneren und äußeren Bedingungen kann man theoretisch schließen,
daß jedes Organ an jedem Ort des Stengels entstehen kann,
vorausgesetzt, daß der Ort Wachstums- und teilungsfähige Zellen
besitzt (Klebs, 1904, S. 612). Ohne weitere Versuche ist es ein-
leuchtend, daß die äußeren Bedingungen an der Basis nahe der
feuchten nährsalzhaltigen Erde verschieden sind von denen der
Spitze, die frei in die Luft ragt, dem Lichte und der Transpiration
ausgesetzt ist; dazwischen finden sich alle möglichen Abstufungen.
Vor allem aber beruht der ausgesprochene Satz auf zahlreichen
experimentellen Erfahrungen.
Ich erinnere an die wichtigen Untersuchungen Vöchtings
(1887, 1902), nach denen an jeder knospenhaltigen Stelle der Kar-
toffelpflanze von der Basis bis zur Spitze Knollen entstehen,
diese aber ebenso durch Laubtriebe ersetzt werden können. Ganz
ähnlich verhält sich nach den Untersuchungen Goebels (1880,
1908, S. 100) Circaea, nur daß hier am gleichen Ort, sei es an der
Spitze oder der Basis, je nach den Bedingungen des Versuches
Ausläufer oder Laub- resp. Blütentriebe gebildet werden können
(vgl. auch Dostal, 1911). Man vermag ebenso (nach eigenen Unter-
suchungen) bei Ranunculus lingua an jedem knospentragenden Ort
des Stengels die Bildung der Rhizome hervorzurufen. Sehr über-

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