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Klebs, Georg; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1913, 5. Abhandlung): Über das Verhältnis der Außenwelt zur Entwicklung der Pflanzen: eine theoretische Betrachtung — Heidelberg, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.37628#0036
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36 (B. 5.)

G. Klebs.

zeugend sind auch die Versuche an Sempervivum, bei dem normaler-
weise Rosetten an der Basis, Blüten an der Spitze der gestreckten
Infloreszenz entstehen. Durch geeignete Bedingungen der Außen-
welt gelingt es aber, die Rosetten an jedem Ort der Achse bis in
die Spitze der Infloreszenzzweige hervorzurufen und ebenso die
Blüten bis zur Basis des Stengels herab (Klebs, 1905). In neuester
Zeit beobachtete ich sogar Wurzelbildungen direkt an den Inflores-
zenzzweigen. Alle diese vom Ort unabhängigen Formbildungen
können an der unverletzten Pflanze hervorgerufen werden, so daß
Verwundungen und Verletzungen, die vielfach mit Erfolg für solche
Untersuchungen angewendet werden, ausgeschlossen sind. Alle
diese Tatsachen beweisen, daß der Ort der Organbildung keines-
wegs von der spezifischen Struktur vorgeschrieben ist, sondern sich
nach der Einwirkung einer bestimmten Außenwelt auf die inneren
Bedingungen richtet.
Bei solchen Untersuchungen hat man mit einem inneren
Widerstand zu rechnen, der stets überwunden werden muß. Ein
in bestimmter Richtung aufgewachsener Stengel ist seit den be-
kannten Untersuchungen Vöchtings polarisiert, d. h. seine inneren
Bedingungen sind derartig beschaffen, daß sie an den der Basis
zu gelegenen Teilen andere Organe zu erzeugen suchen, als an den
der Spitze zu gelegenen. Am auffallendsten zeigt sich diese Polarität
bei abgeschnittenen Stengelstücken,- wo die Basis geneigt ist
Wurzeln oder Rhizome oder Knollen zu bilden, die Spitze Laub
oder Blütentriebe. Diese Polarität ist natürlich auch an der un-
verletzten Pflanze vorhanden und hilft dazu, die normale An-
ordnung der Organe unter den Bedingungen der freien Natur
herbeizuführen.
Da wir vorhin gesehen haben, daß es trotz der Polarität ge-
lingt, an jedem Ort der Stengelachse die überhaupt möglichen
Seitenorgane zur Entwicklung zu bringen, so beweist das völlig
klar, daß die Polarität keine notwendige Bedingung der Organ-
bildung ist. Wenn also die Spitze eines Laubtriebes direkt in einen
Ausläufer (Goebel) oder in ein Rhizom (Klebs) oder eine Blatt-
rosette (Klebs) mit Hilfe der Außenwelt umgewandelt werden
kann, so wird doch der in der Spitze vorhandene entgegenwirkende
Einfluß der Polarität völlig ausgeschaltet. Diese Beseitigung ihres
Einflusses ist eben möglich, weil sie in der bestimmten Form nicht
an der spezifischen Struktur der Pflanze haftet. Durch die Polarität
werden überhaupt nur quantitative Förderungen bzw. Hem-
 
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