38 (B. 5.)
G. Klebs.
Das Hauptproblem gipfelt in der Frage: in welcher Weise
die Polarität entstanden ist. In einer besonderen Streitschrift
hat Vöchting (1906) die Anschauungen von Pfeffer (1901, S. 193)
und mir (1904, S. 609) bekämpft und sich auf den alten, von ihm
vertretenen Standpunkt gestellt. Er behauptet, daß die Polarität
„erblich überkommen“ sei. Woher weiß eigentlich Vöchting
das so genau ? Wo liegen die Beweise dafür ? Tatsächlich wissen
wir bei den Phanerogamen nichts über die Entstehung. Vöchting
überträgt einfach den fixierten Zustand der ausgewachsenen Sten-
gelteile auf den Vegetationspunkt oder die Eizelle; er verfährt
nach Art der alten Präformisten und setzt das zu Erklärende
als Erklärungsgrund — eine Methode, die auch heute noch in
der Entwicklungsphysiologie mit Vorliebe befolgt wird. Das Loch
in unserer Erkenntnis bleibt immer noch ein Loch, auch wenn es
mit einer solchen Annahme erblicher Fixierung gedeckt wird.
Wir müssen wenigstens versuchen das Loch auszufüllen, indem wir
von einigen sicheren Tatsachen ausgehen.
Stahl (1885) hat zum ersten Male den so wichtigen Nachweis
geführt, daß bei einer kugelförmigen Spore von Equisetum die
Lichtrichtung darüber entscheidet, welche von den beiden Zellen
der ersten Teilung zur Spitze des künftigen Prothalliums wird und
welche das wurzelartige Rhizoid bildet. Das Licht bestimmt dem-
gemäß die Richtung der Polarität. Ganz entsprechende Beob-
achtungen sind von KoLnERUP-RosENviNGE, Winkler, Bolleter
u. a. gemacht worden. In der neuesten Darstellung über die Pola-
rität vertritt Winkler (1913) die Ansicht, daß eine solche kug-
lige Spore nicht apolar sei, sondern eine bestimmte Polarität be-
sitze. Denn bei Abwesenheit des Lichtes bilde sich doch auch Spitze
und Basis aus. Das bedeutet aber keinen Beweis, weil im Dunkeln
kleine Differenzen im Nährsubstrat oder in der Zusammensetzung
der Luft die Richtung der Polarität bestimmen könnte. Wir beob-
achten doch in zahlreichen Fällen, daß die gleiche Beschaffenheit
der inneren Bedingungen sehr häufig durch verschiedenartige
äußere Einflüsse hervorgerufen wird. Ebensowenig entscheidend
ist die Beobachtung Winklers, daß bei Cystoseira nach einer
4stündigen Beleuchtung bereits die Polarität fixiert ist, obwohl
noch keine Teilung eingetreten ist. Das ist ein spezielles Beispiel
mit relativ schneller Fixierung; in allen Fällen werden wir aber
voraussetzen müssen, daß zuerst die inneren Bedingungen polari-
siert werden, bevor die entscheidende Teilung erfolgt. Winkler
G. Klebs.
Das Hauptproblem gipfelt in der Frage: in welcher Weise
die Polarität entstanden ist. In einer besonderen Streitschrift
hat Vöchting (1906) die Anschauungen von Pfeffer (1901, S. 193)
und mir (1904, S. 609) bekämpft und sich auf den alten, von ihm
vertretenen Standpunkt gestellt. Er behauptet, daß die Polarität
„erblich überkommen“ sei. Woher weiß eigentlich Vöchting
das so genau ? Wo liegen die Beweise dafür ? Tatsächlich wissen
wir bei den Phanerogamen nichts über die Entstehung. Vöchting
überträgt einfach den fixierten Zustand der ausgewachsenen Sten-
gelteile auf den Vegetationspunkt oder die Eizelle; er verfährt
nach Art der alten Präformisten und setzt das zu Erklärende
als Erklärungsgrund — eine Methode, die auch heute noch in
der Entwicklungsphysiologie mit Vorliebe befolgt wird. Das Loch
in unserer Erkenntnis bleibt immer noch ein Loch, auch wenn es
mit einer solchen Annahme erblicher Fixierung gedeckt wird.
Wir müssen wenigstens versuchen das Loch auszufüllen, indem wir
von einigen sicheren Tatsachen ausgehen.
Stahl (1885) hat zum ersten Male den so wichtigen Nachweis
geführt, daß bei einer kugelförmigen Spore von Equisetum die
Lichtrichtung darüber entscheidet, welche von den beiden Zellen
der ersten Teilung zur Spitze des künftigen Prothalliums wird und
welche das wurzelartige Rhizoid bildet. Das Licht bestimmt dem-
gemäß die Richtung der Polarität. Ganz entsprechende Beob-
achtungen sind von KoLnERUP-RosENviNGE, Winkler, Bolleter
u. a. gemacht worden. In der neuesten Darstellung über die Pola-
rität vertritt Winkler (1913) die Ansicht, daß eine solche kug-
lige Spore nicht apolar sei, sondern eine bestimmte Polarität be-
sitze. Denn bei Abwesenheit des Lichtes bilde sich doch auch Spitze
und Basis aus. Das bedeutet aber keinen Beweis, weil im Dunkeln
kleine Differenzen im Nährsubstrat oder in der Zusammensetzung
der Luft die Richtung der Polarität bestimmen könnte. Wir beob-
achten doch in zahlreichen Fällen, daß die gleiche Beschaffenheit
der inneren Bedingungen sehr häufig durch verschiedenartige
äußere Einflüsse hervorgerufen wird. Ebensowenig entscheidend
ist die Beobachtung Winklers, daß bei Cystoseira nach einer
4stündigen Beleuchtung bereits die Polarität fixiert ist, obwohl
noch keine Teilung eingetreten ist. Das ist ein spezielles Beispiel
mit relativ schneller Fixierung; in allen Fällen werden wir aber
voraussetzen müssen, daß zuerst die inneren Bedingungen polari-
siert werden, bevor die entscheidende Teilung erfolgt. Winkler