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Buddenbrock, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1917, 1. Abhandlung): Die Lichtkompaßbewegungen bei den Insekten, insbesondere den Schmetterlingsraupen — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.34624#0013
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Die Lichtkompaßbewegungen bei den Insekten.

(B.l) 5

Stande war, sich geradlinig zu bewegen. Sehen wir uns Textfigur 1
an, die eine Originalphotographie sowie einige möglichst natur-
getreue zeichnerische Abbildungen solcher Rußpräparate zeigt.
Stets sehen wir eine einigermaßen gerade, dickgezeichnete Linie,
die Kriechspur der Raupe im hellen Tageslicht. Daneben hebt
sich die Dunkelspur ab als eine verschnörkelte, meist mehrfach
auf sich selbst zurücklaufende Kurve. Außerdem zeigt sie zahl-
reiche verwaschene Ausbuchtungen nach rechts und links. Dies
sind die Stellen, an denen die Raupe still hielt und mit dem Kopf
umhertastete, um sich wenn möglich mit dem Tastsinn zu orien-
tieren. Es ist kein Zweifel, das Tier ist außerstande, sich im Dunkeln
zurechtzufinden.
Vergleicht man diesen Dunkelkammerversuch mit dem im
Hellen, so ist hiermit zunächst bewiesen, daß das Tier in seinem
normalen Leben des Lichtes zu seiner Orientierung bedarf und
weiterhin, daß außer dem Licht kein anderer Faktor hierbei eine
Rolle spielt. Gäbe es einen solchen, wie immer auch er geartet sei,
so müßte er in unserem Versuch, der nur das Licht ausschaltet,
fortbestehen, die Raupen also weiterhin geradeaus kriechen. Die
Orientierung der Raupe ist also eine rein optische.
Die beschriebenen Dunkelkammerversuche sind meines Wis-
sens zum erstenmal von P. FRANDSEN mit ange-
stellt worden. Ich selbst habe sie sodann mit nachgemacht
und bringe heute außer von Kameen noch Bilder von vier ver-
schiedenen Arthropoden: zwei Käfern, einer Assel und einem
Tausendfuß. (Textfig. 2 S. 6.) Wir wissen ferner vom Menschen
selber, daß er die gleiche Eigentümlichkeit aufweist und dürfen
dies vielleicht auf die Wirbeltiere schlechthin verallgemeinern.
Gerade der jetzige Krieg hat äußerst häufig die Erscheinung ge-
zeitigt, daß Soldaten in pechfinsterer Nacht stundenlang im Kreise
üerumgelaufen sind, ohne den dicht vor ihnen liegenden Schützen-
graben finden zu können.
Voraussichtlich handelt es sich also bei dieser Erscheinung
um etwas Allgemeingültiges, welches wir etwa in dem folgenden
Satz ausdrücken können: ,,Die Tiere, die mit einem höher ent-
wickelten, zu gerichtetem Sehen befähigten Auge versehen sind,
bedürfen zu ihrer geradlinigen Vorwärtsbewegung des Lichts,
ohne dieses laufen sie in Kreisen, Spiralen und ähnlichen Figuren/'
Zur Technik dieser Versuche ist zu erwähnen, daß sich ganz
kleine, langsam kriechende Tiere am besten eignen, weil sie kleine
 
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