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Buddenbrock, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1917, 1. Abhandlung): Die Lichtkompaßbewegungen bei den Insekten, insbesondere den Schmetterlingsraupen — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.34624#0022
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14 (B. 1)

W. VON BUDDENBROGK:

scheinung erläutern. Ihre Erklärung ist vermutlich die folgende:
Drehe ich die Scheibe fortwährend im selben Sinne, so bringe ich
das Tier, auch wenn es die Bewegung der Unterlage noch so schnell
durch Gegendrehung zu kompensieren sucht, zwangsmäßig in eine
neue Lage zum Sonnenlicht, in der es einen großen Teil des Ver-
suchs hindurch verharrt, nämlich stets solange, bis es die jeweilige
Gegendrehung ausführt. Der Lichtstrahl aus der neuen Richtung
wirkt offenbar als ein sich allmählich akkumulierender Reiz, der
schließlich den alten Reiz überwiegt und so das Tier zum Ein-
schlagen der neuen Richtung zwingt.

II. Die Lichtkompaßbewegungeil und die Lehre vom Phototropismus.
In dem bisher Gesagten wurde das Benehmen der Raupen
im natürlichen Sonnenlichte behandelt. Die Sonnenstrahlen sind
parallel, und es resultiert folglich, da bei der Lichtkompaßbewegung
der ,,Richtungswinkel" zwischen Lichtstrahl und Bewegungs-
richtung konstant bleibt, ein gradliniger Lauf des Tieres: Wir
wollen jetzt Zusehen, wie sich das Insekt unter dem Einfluß einer
Lichtquelle benimmt, die nicht unendlich weit, sondern ihm relativ
nahe ist. Eine einfache mathematische Überlegung lehrt, daß
unter diesen Umständen das Tier, indem es die jetzt radiären
Strahlen unter konstantem Winkel schneidet, die drei folgenden
Bahnen einschlagen kann:
1. Der Winkel zwischen der Körperlängsachse und dem Licht-
strahl, der sein Auge trifft, ist null, das Tier bewegt sich also gerad-
linig auf das Licht zu oder von ihm weg.
2. Der Winkel beträgt neunzig Grad, das Tier beschreibt
folglich einen Kreis um die Lichtquelle.
3. Der Winkel ist spitz oder stumpf, das Tier kriecht folglich
in einer Spirale, sich derart entweder immer mehr dem Lichte
nähernd oder von ihm entfernend.
Auf diesen allgemeinsten Fall, von dem sich die geradlinige
und die Kreisbewegung leicht als spezielle Grenzfälle ableiten
lassen, möchte ich noch etwas genauer eingehen. Man kann ihn
sich mit Hilfe einer Zeichnung sehr leicht klarmachen.
Wir denken uns von der Lichtquelle L nicht unzählig viele,
sondern nur wenige Strahlen ausgehend. Das Tier, das aus der
 
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