Metadaten

Buddenbrock, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1917, 1. Abhandlung): Die Lichtkompaßbewegungen bei den Insekten, insbesondere den Schmetterlingsraupen — Heidelberg, 1917

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34624#0029
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Lichtkompaßbewegungen bei den Insekten. (B. 1) 21

in der ganzen Natur bieten. Dieser Umstand beweist schon ganz
für sich allein, daß wir es hier gewiß nicht mit einem selb-
ständigen Reflex zu tun haben. Wir können die Sachlage nur so
auffassen, daß durch die vom Menschen erfundene künstliche
Beleuchtung ein für die freie Natur geschaffene nützliche Be-
wegung in ihr schädliches Gegenteil verkehrt wird. Es fragt sich
also, welche in der freien Natur vorkommende Bewegungsart das
natürliche Homologon des durch die künstliche Beleuchtung her-
vorgerufenen Phototropismus sei. Hierauf wissen wir bereits die
Antwort: Der Nachtphototropismus ist ein Spezialfall der allge-
meinen Lichtkompaßbewegungen.
Ich schlage daher zur künftigen Vermeidung störender Ver-
wechslungen mit dem echten Phototropismus vor, den Flug der
Insekten zur Flamme mit Nachtphototropismus zu bezeichnen.
In Verbindung mit dem soeben erörterten Problem wurde
bisher meist die Frage aufgeworfen, warum die Insekten so gut
wie in der Nacht der Laterne nicht auch am Tage der Sonne zu-
fliegen. Die Fragestellung ist aus der herrschenden Auffassung
geboren, daß das Insekt die Lichtquelle fixiert und geradlinig auf
sie losfliegt und erscheint in diesem Zusammenhang allerdings
nicht unberechtigt. Beim Stande unserer jetzt erworbenen Kennt-
nis verliert sie dagegen jeden Sinn; dem Insekt kommt es ja gar
nicht darauf an, die Lichtquelle tatsächlich zu erreichen, es bemüht
sich nur, die anfänglich eingenommene Stellung zum Licht beizu-
behalten, wobei in keiner Weise erforderlich ist, daß die Licht-
quelle in derselben Ebene liegt, in der die Bewegung vor sich geht.
Diese Ebene ist bei den Insekten so gut wie bei allen anderen
Tieren normalerweise die horizontale. Eine zufällige Einstellung
des Insektes direkt in die Richtung der Sonnenstrahlen, die nach
unserer jetzigen Kenntnis die Vorbedingung zu einem Fluge zur
Sonne wäre, wird also niemals Vorkommen.
HL Die biologische Bedeutung der Lichtkompaßbewegungen.
Der Nutzen, welcher der Ameise aus der Lichtkompaßorien-
tierung erwächst, ist direkt zu beobachten. Durch die bereits be-
sprochene Umkehrbarkeit der Reaktion, derzufolge das Tier beim
Rückmärsche genau die entgegengesetzte Richtung der Sonne
gegenüber einnimmt als auf dem Hinwege, gelangt die Ameise
mit Sicherheit zum Neste zurück.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften