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Buddenbrock, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1917, 1. Abhandlung): Die Lichtkompaßbewegungen bei den Insekten, insbesondere den Schmetterlingsraupen — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.34624#0017
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Die Lichtkompaßbewegungen bei den Insekten.

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es sich nicht um phototropische Tiere handelt^. Meine Raupen-
versuche z. B. wurden im Garten angestelit auf einem kleinen,
dicht mit Büschen umstellten Platze, die allseitig ungefähr die
gleiche Helligkeit aufwiesen. Relativ selten nur war es zu beob-
achten, daß die Raupe in Richtung der Sonnenstrahlen sich
bewegte, es konnte vielmehr jede beliebige Richtung konstatiert
werden, ohne daß das Auge auch des sorgfältigsten Beobachters
imstande gewesen wäre, festzustellen, welche besonderen Quali-
täten der Punkt habe, auf den die Raupe sich hinbewegt.
In genauer Übereinstimmung hiermit schreibt RADL: ,,Die
Käfer haben sich fast in allen Richtungen bewegt, immer mehr
oder weniger geradlinig." (p. 29.) Ferner findet sich p. 39 der
folgende Satz: ,,.... Die Versuche haben ferner gezeigt, daß unter
der optischen Orientierung nicht die Einstellung des Körpers
gegen den direkt von der Lichtquelle kommenden Lichtstrahl zu
verstehen ist, sondern daß das Insekt sich auch ebenso wie der
Mensch gegen andere Strahlen orientieren kann . . . ."
Dieser letzte Satz zeigt uns direkt die Deutung an, die RADL
seinen Versuchen gibt:
Der Naturforscher wird niemals in der Lage sein, sich gänzlich
von der anthropozentrischen Denkweise loszusagen, die uns nun
einmal im Blute steckt. Wenn ich sehe, daß ein Tier unter dem
Einfluß des Lichtes geradaus läuft und seine Richtung trotz Ab-
lenkung beibehält, so liegt der Gedanke verführerisch nahe, daß
das Tier, wie es der Mensch ja auch tut, irgend einen vor ihm.
liegenden sichtbaren Punkt fixiert, auf ihn zukriecht, ihn also als
,,Marschrichtungspunkt" benutzt. Die Versuche, die wir bisher
kennen lernten, lassen sich auf das leichteste unter dieser An-
nahme erklären, und so ist es durchaus begreiflich, daß RADL in
ihr die wirkliche Lösung des Problems der optischen Orientierung
der Insekten erblickte, ohne andere Möglichkeiten zu berücksich-
tigen.
Ich möchte hier einige Stellen des RADLschen Werkes an-
führen, die seinen Standpunkt besonders deutlich hervortreten
lassen: p. 39. ,,Wir haben gesehen, daß die Insekten bei ihren
Bewegungen optisch orientiert sind, daß sie sich fortbewegend
i Ich gebrauche den Ausdruck Phototropismus in dem von Alters her
gebräuchlichen Sinne: Bewegung auf ein Lichtmaximum, Minimum oder
Optimum hin; nicht wie RADL, der eine jede durch das Auge vermittelte
gerichtete Bewegung phototropisch nennt.
 
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