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Buddenbrock, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1917, 1. Abhandlung): Die Lichtkompaßbewegungen bei den Insekten, insbesondere den Schmetterlingsraupen — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.34624#0020
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12 (B.1)

IV. VON BuDDENBROCK:

strahlen unter dauernd gleichem Winkel schneiden. Der Name
Lichtkompaßbewegung, der von SANTsem herrührt, ist die-
ser Eigentümlichkeit gut angepaßt. Nehme ich einen Kompaß
zur Hand, so zwingt mich auch nichts nach Norden oder Süden
zu gehen; ich kann mich nach jeder Richtung orientieren und gerad-
linig nach Westen, Osten oder wohin ich sonst will gehen, sofern
ich nur dafür sorge, daß der Apparat in konstanter Lage zu meinem
Leibe bleibt und die Kompaßnadel dauernd nach Norden zeigt.
"Versuch Nr. 3: Die spontane Änderung der Bewegungs-
richtung.
Die an sich schon sehr große Freiheit, welche die Lichtkom-
paßbewegungen dem Insekt erlauben, wird noch wesentlich da-
durch erweitert, daß das Tier in der Lage ist, seine Bewegungs-
richtung ohne äußeren Reiz d. h. spontan zu ändern. Es wird dies
durch folgenden sehr einfachen Versuch klargestellt. Das Tier
wird auf einen möglichst großen und sauberen Tisch gesetzt; direk-
tes Sonnenlicht ist wie immer Vorbedingung zum Gelingen der
Versuche. Man läßt es nach irgend einer beliebigen Richtung über
den Tisch kriechen, ist es am Ende des Tisches angelangt, so hält
man ihm rasch ein kleines Stück Holz oder etwas Ähnliches vor,
auf das es hinaufkriecht, und trägt es so zum entgegengesetzten
Ende des Tisches, wenn möglich, ohne die Richtung des stets
weiterkriechenden Tieres zu ändern. Von hier beginnt das Spiel
von neuem. Man kann es so erreichen, daß die Raupe zehnmal
und öfters immer in der gleichen Richtung über den Tisch
kriecht. In einem Falle geschah dies % Stunden lang, gewöhn-
lich aber nur einige Minuten. Einmal aber hat dies ein Ende:
mitten auf der Tischplatte hält die Raupe plötzlich an, dreht
den Kopf ein paarmal hin und her und kriecht hierauf in einer
neuen Richtung ebenso entschlossen weiter wie sie es bisher in
der alten tat. Dieser Versuch ist deswegen interessant, weil er
den prinzipiellen Unterschied aufdeckt, der zwischen den Licht-
kompaßbewegungen und den phototropischen Zwangsbewegungen
besteht. Wir kennen zwar sehr wohl auch solche Fälle, wo ein
phototropisches Tier positiv oder negativ reagieren, folglich seine
Bewegungsrichtung so gut wie die Raupe wechseln kann. Der
Übergang von dem einen zum anderen Zustand erfolgt aber niemals
spontan, sondern stets nur nach Applizierung eines neuen Reizes.
Wir haben eine Zwangsbewegung vor uns, die durch die Licht-
 
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