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Buddenbrock, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1917, 1. Abhandlung): Die Lichtkompaßbewegungen bei den Insekten, insbesondere den Schmetterlingsraupen — Heidelberg, 1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.34624#0030
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22 (B. 1)

W. VON BuDDENBROCK:

Bei den freilebenden Insekten, die also kein Nest besitzen,
fällt die Umkehrbarkeit des Reflexes und der hieraus resultierende
Nutzen natürlich fort. Das einzige, was aus der Lichtkompaß-
reaktion mit Notwendigkeit folgt, ist der geradlinige Lauf des
Tieres, so daß sich unsere Frage nach dem Nutzen der gesamten
Reflexhandlung auf die andere zurückführen läßt, ob und in wie
weit die geradlinige Fortbewegung einem freilebenden Tiere
von irgend welchem Nutzen sei.
Ich habe mich hierüber bereits in meiner kleinen Arbeit über
Lichtsinn der Schnecken geäußert und zitiere dieselbe wörtlich:
,,Angenommen, das Tier befinde sich auf der Nahrungssuche, so
erhalten wir die Antwort auf unsere Frage durch den Satz, daß
die Wahrscheinlichkeit neue Nahrung zu finden, bei geradliniger
Fortbewegung um ein Vielfaches größer ist als bei einer Bewegung
in Schleifen, Spiralen und sonstigen in sich selbst zurücklaufenden
Kurven. Denn es ist ohne weiteres klar, daß die Bodenfläche, die
mit Hilfe des Geruchsinnes auf Nahrung hin untersucht werden
kann, im ersten Falle ganz bedeutend größer ist als im zweiten,
wo ein und dieselbe Stelle so und so oft vergeblich passiert wird.
Natürlich gilt genau die gleiche Überlegung auch für sämtliche
andere Lebensbedürfnisse der Tiere: Immer ist die geradlinige
Fortbewegung das beste und sicherste Mittel, neue und
damit günstigere Lebensbedingungen zu finden." (p. 21.)
In diesem Satze ist die Lösung des biologischen Problems vom
geradlinigen Lauf enthalten. Wie so oft ist das schwierigste daran
die Erkenntnis, daß hier überhaupt ein Problem vorliegt. Wir
sind an die geradlinige Fortbewegung der Organismen derart ge-
wöhnt, daß wir sie als etwas ganz Selbstverständliches hinnehmen,
und es uns nicht in den Sinn kommt, daß die Natur besonderer
Maßnahmen bedarf, um sie zu erzwingen. Ausdrücklich möchte
ich hervorheben, daß der soeben besprochene Gedankengang
keineswegs eine Spekulation, sondern etwas mathematisch Beweis-
bares ist. Der geradlinige Lauf gehört in die Kategorie der Such-
bewegungen, worunter ich nach dem Vorgänge von DoFLEiN
eine Bewegung verstehe, deren Zweck das Auffinden neuer Reize
ist (z. B. Geruchsreize), die alsdann das Tier direkt zu neuer
Nahrung oder dergl. hinführt. Ich muß mich hier ein wenig mit
DoFLEiN auseinandersetzen. Dieser Forscher hat in seinem jüngst
veröffentlichten Werk über den Ameisenlöwen sowohl gerichtete
Bewegungen auf das Licht zu, als auch desorientierte Kreis- und
 
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