Metadaten

Lauterborn, Robert ; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1918, 1. Abhandlung): Die geographische und biologische Gliederung des Rheinstroms, 3 — Heidelberg, 1918

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38876#0034
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
26 (B.l)

Robert Lauterborn:

beschränkte Rothuhn (Caccabis rufa) hielt sich bis in das 16. Jahr-
hundert auf den Bergen von St. Goar sowie bei der Landskron
unweit der Ahrmündung. Auch jetzt noch leben an den sonn-
durchglühten Felsen und Steinhalden des Rheintals eine Anzahl
Pflanzen und Tiere, die sonst hauptsächlich im Bereich der Alpen
weiter verbreitet sind. Hierher gehören von Pflanzen Thlaspi
alpestre, Biscutellci laevigata, Sempervivum tectorum, Rumex
scutatus, Amelanchier vulgaris, Thesium pratense\ von Käfern
Otiorrhynchus armadillo (rhaeticus), von Schmetterlingen Ino
geryon, Argynnis amathusia, Agrotis cuprea, A. candelisequa,
Cidaria salicata, Gnophos glaucinaria var. plumbeyria, Scoparia
cembrae, Acidalia contiguaria. Daß das Rothuhn ebenso wie die
eben genannten Pflanzen und Insekten — fast alle Bewohner
buschreicher warmer Felshänge — schon während der eigentlichen
Gletscherzeit an den Mittelrhein gelangt sein sollten, erscheint
mehr als unwahrscheinlich1. Viel näher liegt die Annahme, daß es
sich hier um Formen handelt, welche die Kälteperiode an dem
milden südwestwärts gerichteten Abfall der Alpen überdauerten
und erst in der postglazialen Steppenperiode entlang der felsigen
Vorhügel der oberrheinischen Randgebirge sich bis zum Mittel-
rhein hin ausbreiteten. Dafür spricht auch, daß für alle Pflanzen
sowie die Mehrzahl der Tiere einzelne Zwischenstandorte am
Oberrhein die Verbindung mit den Alpen hersteilen.
Die Beeinflussung der Tier- und Pflanzenwelt vom ozeanischen
Westen sowie von Norden her tritt am Mittelrhein, im Gegensatz
zum Niederrhein, noch verhältnismäßig wenig in Erscheinung,
am ehesten noch bei den Bewohnern des Wassers und des feuchten
Geländes. Atlantisch sind von Pflanzen Erica tetralix (bis zur
Ahr aufwärts), E. cinerea (Bonn), Elisma natans (Rodder Maar
im Kreise Ahrweiler), Peucedanum Chabraei, Oenanthe peucedani-
folia; von Mollusken Vitrina maior, Xerophila ericetorum, Fruti-
cicola rujescens, Pupci cylindracea, Azeca Menkeana. Nordischer
Herkunft sind von Mollusken außer den bereits erwähnten Lim-
naeus glaber und Planorbis spirorbis noch Planorbis vorticulus (sub-
fossil am Laacher See), Vertigo alpestris, weiter die Perlmuschel
Margaritana margaritifera, die in der Form elongata in den Bächen
1 Nur das Laubmoos Myurella julacea, das sich am Mittelrhein bei der
Ruine Rheinfels unterhalb St. Goar findet, während es sonst im Quellgebiet
des Rheins hauptsächlich die Höhen von 1500 m bis über 3000 m bewohnt,
dürfte ein wirkliches alpines Glazialrelikt darstellen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften