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Drüner, Leo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung B, Biologische Wissenschaften (1919, 5. Abhandlung): Die Anwendung der Stereoskopie bei der Darstellung anatomischer und chirurgischer Objekte — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.36557#0060
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60 (B. 5)

L. DRÜNER:

5. Die Verwendung der Ergebnisse der Präparation.
Wird der Erfolg in der Chirurgie mehr durch den aus Kennt-
nissen und Überlegungen fließenden Entschluß, welchen die Phan-
tasie eingibt, oder durch die Technik verbürgt ?
Ein müßiger Streit! Jeder Chirurg weiß, daß er beides braucht.
Es gibt viele typische Operationen, in denen fast nur die
Technik eine Rolle spielt und die Erfahrung, die Statistik, schließ-
lich entscheidet, welche Art des Vorgehens die beste ist, wie z. B.
die Operation des Leistenbruches, der akuten Appendicitis und
vieles andere. Bei ihnen sind die Grenzen, innerhalb welcher die
Einzelaufgabe Anforderungen an Beobachtung und Denken stellt,
enge. Anders ist es in der Chirurgie der Verletzungen, in erster
Linie der Chirurgie der Kriegsverletzungen. Hier steht jeder Fall
einzeln da. Jede Aufgabe liegt wieder anders. Sie erforderte mehr,
als man sonst gewöhnt ist, die genaue Untersuchung, namentlich
dann, wenn das akute Stadium abgelaufen ist oder wenn ein solches
mangels einer wesentlichen Infektion fehlte.
Will der Chirurg aus den Trümmern dem Verletzten wieder
etwas brauchbares aufbauen, so muß er während der kurzdauernden
Operation sich entscheiden können, was verwendbar blieb, und es
so an seinen Platz bringen, daß es wieder wirken kann. Oder han-
delt es sich z. B. um ein Aneurysma der Subclavia, so ist das erste
und zunächst wichtigste die Beseitigung der unmittelbaren Lebens-
gefahr. Aber damit ist die Aufgabe nicht gelöst. Allein die Beur-
teilung der Frage der Wiederherstellung des Blutkreislaufes, ob
eine Unterbindung genügt, ob eine Gefäßnaht ausgeführt oder
ob ein Venenstück eingeschaltet werden muß, erfordert Über-
legung und schnellen Entschluß. Die Grundlage dafür kann nur
dann vorhanden sein, wenn sie sich nicht allein auf die genaue
Kenntnis des normalen Kreislaufes und der möglichen Veränderun-
gen durch die vorliegende Verletzung stützt, sondern wenn der
Operateur hierfür gewissermaßen gar keines Nachdenkens mehr
bedarf. Er sieht die Form der Verletzung und ganz von selbst
stellt sich ihm das Bild dafür ein, welche Veränderungen durch
sie im Kreislauf bedingt sind. Daraus ergibt sich für ihn der Plan
zur Ausnutzung der Bedingungen für eine Wiederherstellung. Zu-
nächst liegen die Verletzungen der Nerven vielleicht unbeachtet
daneben. Über sie sich ein vollständiges Bild zu machen ist noch
schwieriger. Gelang es nicht, so wurde der günstigste Augenblick
für die Wiederherstellung versäumt.
 
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