Rezensionen über schöne Literatur von Schelling uncl Caroline. 17
zngleich eine von den ewiggült.igen Zeilen des Boileau ins Gedächtniß, die
er bey der Gelegenheit anführt, wie Racine nicht mehr für das Theater
schreiben wollte; Pradon blieb nämlich damals „Meister vom Kampfplatz,
daher Boileau sagte :
Et la Scene franpoise est en proye ä Pradon“.
Mit dem Auszug aus Dr. Schads Leben möchte dessen Verlegcr vielleicht
nicht zufrieden seyn, indem er allerdings vollständig genug ist, um der Lectüre
des Buchs selbst zu überheben ; wir verstatten uns bloß die Einwendung, daß
die Klostergräuel, welche hier als der belustigendste Theil sorgfältig aus-
gehoben sind, für ein Publicum, von dem die Frauenzimmer leicht den be-
trächtlichsten Teil ausmachen könnten (auch ist das Buch einer Dame de-
dicirt), nicht geeignet scheinen, und würden aucli das nicht erwähnen, wenn
der Vf. nicht der bewußten Kusine das Ärgerniß, das sie den Domestiken
durch die Götter Grieclienlands giebt, so hoch anrechnete. Weiter hin fmden
sich erfreulichere Nachrichten, z. B. die Rosen und der Pfau, zur älteren
französischen Sittengeschichte gehörig, die Jungfrau von Orleans als Frau
und Mutter, und Camoens, ein Auszug aus einer Biographie dieses Dichters, die
vor einer englischen Uebersetzung desselben befindlich ist (ein Glück für Ca-
moens, daß ihn Hr. Schlegel nicht gleich dem Calderone übersetzte, sonst
stände er nicht hier, sondern in der Bibliothek der Kusine). Bey den Anek-
doten hat Hr. v. K. den gewöhnlichen Vademecums Ton mehrmals äußerst
natürlich getroffen, z. B. wenn er die Begebenheit von den beiden Mädchen
erzählt, die von England nach Petersburg in Rußland statt nach Peterbor(o)ngh
eiu paar Stunden weit, reisten, oder : Distinguo. „Ein Superintendent, der zu-
gleich Oberinspector über einen Freytisch war, ärgerte sich oft über einen
Candidaten, cler sich angewöhnt hatte, bey jeder Gelegenheit Distinctionen zu
machen, und sie allemal mit dem Worte Distinguo anzuheben. „Ey, zum
Henker mit Ihrem Distinguo !“ fuhr der Superintendent einmal heraus ; und
um den Candidaten in Verlegenheit zu bringen, setzte er hinzu : „sagen Sie
mir cloch, kann man auch mit Suppe taufen?“ Distinguo! erwiderte der
Candidat; mit Ihrer Suppe? nein. Aber mit der vom Freytisch? 0 ja I“ —
Die Miscellen nun sind es vorziiglich, welche die gelehrten Nachforschungen
des Vf. bestätigen. Der Ton der Mittheilung wird besonders durch das Ge-
misch interessant, wie die junge Befremdung über so Manches, was der Vf.
stückweise nach und naclr in Erfahrung bringt, doch gleich wieder von einem
geübten und durchgearbeiteten Bewußtseyn gestählt wird : so trägt er denn
das eben Gelernte oder Gelesene mit der vollen Sicherheit eines alten Prak-
tikers vor. Wir fmden ihn in der Hinsicht am pikantesten, wenn er über phy-
sikalische Gegenstände Bericht erstattet, wie jetzt fleißig von ihm geschieht,
oder Paradoxien in diesem Fach rügt, dergleichen ihm begreiflich viele auf-
stoßen. Von dieser Seite dürfen wir selbst einen Gewinn für seine übrigen
Darstellungen erwarten, da eine gewisse reelle Anschauung der Natur ihm,
nachdem er sich die der bildenden Künste auf seinen Reisen erworhen, noch
arn meisten abzugehen schien. Die Anwendungen älterer literarischer, auch
persönlicher Ereignisse und Urtheile auf gegenwärtige Zeiten, durch welche er
diese in das rechte Licht zu stellen und nach den richtigen Ansichten zu leiten
bemüht ist, nehrnen hier ebenfalls eine Stelle ein, als : der groß.e Corneille
und der große Goethe, welches natürlich ironisch zu verstehen ist, Wirkmig
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, philos.-hist. Kl. 1912. 1, Abh.
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zngleich eine von den ewiggült.igen Zeilen des Boileau ins Gedächtniß, die
er bey der Gelegenheit anführt, wie Racine nicht mehr für das Theater
schreiben wollte; Pradon blieb nämlich damals „Meister vom Kampfplatz,
daher Boileau sagte :
Et la Scene franpoise est en proye ä Pradon“.
Mit dem Auszug aus Dr. Schads Leben möchte dessen Verlegcr vielleicht
nicht zufrieden seyn, indem er allerdings vollständig genug ist, um der Lectüre
des Buchs selbst zu überheben ; wir verstatten uns bloß die Einwendung, daß
die Klostergräuel, welche hier als der belustigendste Theil sorgfältig aus-
gehoben sind, für ein Publicum, von dem die Frauenzimmer leicht den be-
trächtlichsten Teil ausmachen könnten (auch ist das Buch einer Dame de-
dicirt), nicht geeignet scheinen, und würden aucli das nicht erwähnen, wenn
der Vf. nicht der bewußten Kusine das Ärgerniß, das sie den Domestiken
durch die Götter Grieclienlands giebt, so hoch anrechnete. Weiter hin fmden
sich erfreulichere Nachrichten, z. B. die Rosen und der Pfau, zur älteren
französischen Sittengeschichte gehörig, die Jungfrau von Orleans als Frau
und Mutter, und Camoens, ein Auszug aus einer Biographie dieses Dichters, die
vor einer englischen Uebersetzung desselben befindlich ist (ein Glück für Ca-
moens, daß ihn Hr. Schlegel nicht gleich dem Calderone übersetzte, sonst
stände er nicht hier, sondern in der Bibliothek der Kusine). Bey den Anek-
doten hat Hr. v. K. den gewöhnlichen Vademecums Ton mehrmals äußerst
natürlich getroffen, z. B. wenn er die Begebenheit von den beiden Mädchen
erzählt, die von England nach Petersburg in Rußland statt nach Peterbor(o)ngh
eiu paar Stunden weit, reisten, oder : Distinguo. „Ein Superintendent, der zu-
gleich Oberinspector über einen Freytisch war, ärgerte sich oft über einen
Candidaten, cler sich angewöhnt hatte, bey jeder Gelegenheit Distinctionen zu
machen, und sie allemal mit dem Worte Distinguo anzuheben. „Ey, zum
Henker mit Ihrem Distinguo !“ fuhr der Superintendent einmal heraus ; und
um den Candidaten in Verlegenheit zu bringen, setzte er hinzu : „sagen Sie
mir cloch, kann man auch mit Suppe taufen?“ Distinguo! erwiderte der
Candidat; mit Ihrer Suppe? nein. Aber mit der vom Freytisch? 0 ja I“ —
Die Miscellen nun sind es vorziiglich, welche die gelehrten Nachforschungen
des Vf. bestätigen. Der Ton der Mittheilung wird besonders durch das Ge-
misch interessant, wie die junge Befremdung über so Manches, was der Vf.
stückweise nach und naclr in Erfahrung bringt, doch gleich wieder von einem
geübten und durchgearbeiteten Bewußtseyn gestählt wird : so trägt er denn
das eben Gelernte oder Gelesene mit der vollen Sicherheit eines alten Prak-
tikers vor. Wir fmden ihn in der Hinsicht am pikantesten, wenn er über phy-
sikalische Gegenstände Bericht erstattet, wie jetzt fleißig von ihm geschieht,
oder Paradoxien in diesem Fach rügt, dergleichen ihm begreiflich viele auf-
stoßen. Von dieser Seite dürfen wir selbst einen Gewinn für seine übrigen
Darstellungen erwarten, da eine gewisse reelle Anschauung der Natur ihm,
nachdem er sich die der bildenden Künste auf seinen Reisen erworhen, noch
arn meisten abzugehen schien. Die Anwendungen älterer literarischer, auch
persönlicher Ereignisse und Urtheile auf gegenwärtige Zeiten, durch welche er
diese in das rechte Licht zu stellen und nach den richtigen Ansichten zu leiten
bemüht ist, nehrnen hier ebenfalls eine Stelle ein, als : der groß.e Corneille
und der große Goethe, welches natürlich ironisch zu verstehen ist, Wirkmig
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, philos.-hist. Kl. 1912. 1, Abh.
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