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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph; Schelling, Caroline; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Frank, Erich [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 1. Abhandlung): Rezensionen über schöne Literatur von Schelling und Caroline in der Neuen Jenaischen Literatur-Zeitung — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32876#0033
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Rezensionen über schöne Literatur von Schelling und Caroline. 25
Streben, das sie auf dem gemeinsten Wege geltend machen könnten, auf einem
ungemeinen ins Publicum zu bringen suchen. Der Effect, den dieses auf den
gescheuten freundlichen Leser macht, ließe sich am besten durch einen He-
raklit und Demokrit, die man als einen Januskopf zusammenfügte, personifi-
ciren. Die bösen Feinde aber freuen sich natürlich der verführten Seelen, und
thun klärlich dar, wie so schlimmer Anfang zu so schlimmen Folgen gedeihen
mußte. Die Dummen, welche sich immer nur an die Nachdrücke halten,
preisen die Aftererscheinung vollends a!s das Rechte. Der sämtlichen guten
Gesellschaft aber wird es endlich dadurch verleidet : denn alle Fratzen er-
müden, und zwar Jedermann ; niemand mag eine Weile über von der Sache
überliaupt hören noch sehen. Zu diesen schlichten Bemerkungen, welche nicht
neu sind, hat .jpner Musenalmanach Anlaß gegeben, über den wir, nach
einer vorläufigen Anzeige desselben (Nr. 104) hier noch ein besonderes Wort
hinzufügen. Die Herausgeber nennen sich C. A. von Chamisso und K. A. Yarn-
hagen ; die übrigen Poeten : Iiobert, Eduard, Ernst, Anthropos, Wolfart, *, **,
*** u. s. w. : vermuthlich lauter erwählte Namen, die weiter nichts zur Sache
thun, als daß mit ihnen schon die Nachbildung beginnt. Denn man erinnert sich,
daß in dem Musenalmanach von 1802, den Schlegel und Tieck lierausgaben,
auch dergleichen, als : Novalis, Bonaventura, I(n)humanus, auch Sternchen,
und eine Sophie vorkommen, für welche wir hier eine Auguste anzuführen
haben, die uns freylicli ganz so aussieht, als hätte sie sicli nur in einen weib-
lichen Mantel und Kragen geworfen, welche nach der Mode des Tages nicht
sehr von den männlichen abweichen. Also schon von dem Namen an opfern die
Herren ihre bürgerliche Individualität auf, um sich dem Gemeinwesen der
Dichtkunst anheirn zu geben, aus welchem sie ihr poetisches Individuum glor-
reicher hervorgehen zu lassen denken. Leider ist es nur ein Individuum olme
alle Individualität. Sie gehören sännntlich zu Einer Gattung, die wir nicht nam-
haft machen wollen. Es ist wahr, daß dieser und jener es in der Kunst weiter
gebracht hat, und manche recht täuschend die menschliche Gebehrde und
Stimme nachahmen, welche sie zum Vorbilde wählten. Der Vers klingt genau
so, die Gegenstände geben nichts nach, und am Gehalt fehlt wenig, nur eben
so viel, wie beym Goldmachen noch immer daran gefehlt hat, daß wirkliches
Gold daraus wurde. Hier giebt es zahllose Sonette an Philosophen (Fichte),
Dichter (Goethe, Tieclc) an die werthen Freunde unter einander, an sonstige
imaginäre Wesen, von den Elementen, und an die Elemente, an die Tag- und
Jahreszeiten, von den Farben und den Klängen, auch gerade solche, wie
Petrarch zu machen pflegte. Cyklusse von Gedichten, Goethische Epigramme,
ein Fragmenf, nicht viel schlechter wie die Geheimnisse; Canzonen, Originale
und übersetzte, Terzinen, Variationen oder Glossen. Hymnen aus dem La-
teinischen durften nicht fehlen; die Vf. haben sich sogar in ihrer Aus-
wahl bis zur unbefleckten Empfängniß der Jungfrau erhoben. Gedenkt ihr der
Romanze vom Licht von Fr. Schlegel: hier ist sehr anzüglich eine vom
Schall zu lesen. Überall stoßt ihr auf gebrochene Verse ; manche sind durch
und durcli gerädert; schwere Verse, clreysylbige Reime, kein Symptom mangelt.
Was etwa den Symptomen selber mangelt, würde leicht nachweisen können,
wer sich von Amts wegen clie Mühe zu geben hätte. Tiefer hinein habt ihr
dieselbe Wirthschaft. Das Ganze ist erstaunlich ernsthaft : man weiß, daß der
Scherz am schwersten nachzuahmen ist. Wenn die Gedichte nicht philo-
sophisch sind, so ist doch ein guter Theil Philosophie dabey consumirt
 
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