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Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph; Schelling, Caroline; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Frank, Erich [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 1. Abhandlung): Rezensionen über schöne Literatur von Schelling und Caroline in der Neuen Jenaischen Literatur-Zeitung — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32876#0047
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Rezensionen iiber schöne Literatur von Schelling und CaroÜne. 39
zum Glauben an übernatiirliche Dinge verleiten ; er ist zufrieden, wenn man
ihm die natürlichen glaubt. Die Vision, welche er gehabt hat, läßt er sich voll-
kommen in Nichts auflösen. Denn die Person, welche ihm als gestorben er-
schienen war, lebt am Ende noch, und begrüßt ihn in der Peterskirche zu
Erfurt. Die Details dieser geistigen Verhandlungen stimmen mit den Blend-
werken in der Johanne ganz überein, besonders finden sich die erscheinenden
Frauenzimmer immer mit niedlichen gestickten Schuhen und wehenden
Taffentkleiderchen ein.
Bei weitem nicht so erträglich fmden wir den Vf. der silbernen Kuh
und des unglücklic.lien Weibes. Das erste sind strafende Rhapsodien auf
Fürsten, Völker und Zeit.alter, in eine seltsame Geschichte von Attila und seine
Zeitgenossen gekleidet, aus denen sich niemand einen gesunden Gedanken
oder irgend eine Anschauung nehmen mag und kann. Diese drey Bändchen
voll dichtgedrängter metaphorischer Umschreibungen und roher verworrener
Schilderungen sollen humoristiscli seyn. Wer etwa den Humor des Jean Paul
zu leicht und geflügelt für sich fände, der möchte diesem formlosen Radotiren,
wo alles an einander und nichts zusammenhängt, seinen Glauben gefangen
geben. Der Vf. bildet sicli wahrscheinlich ein, man dürfe nur Unsinn
sprechen, so wäre gleich Methode darin, oder wo keine Methode sey, da müßte
der Leser um so mehr Sinn vermuthen. Verschiedene Notizen und einzelne
Laute, vvelche dumpf aus ihm wiedertönen nebst der —• wenigstens schein-
baren — Aufrichtigkeit seiner Prätensionen lassen auf einen verunglückten
Studirten schließen, der in die Hände der Buchhandelnden Seelenverkäufer
gerathen ist ; seine Manier aber zeigt, daß sie ihren rechten Mann an ihm
fanden. Man kann diese kaum anders als durch sich selbst bezeichnen, wes-
wegen wir einige Blätter, die ersten die besten, (zum Glück geht sehr wenig auf
ein solches Blatt), hier einrücken. B. I S. 367—369. „Jeder will unsterblich
seyn. Sonderbarer Gedanke. Der eine stürzt sich auf den Stolz, diesen Vor-
reuter, diesen Trabanten der Regenten, diesen Miethling der Niedern, diesen
Schneider der Kleidung, diesen Bebrämer der Livrey, diesen Hanswürsten
im Schauspiel, diesen Tänzer am Seile, diesen Ehrer der Gottheit, diesen
Schwätzer von Religion, diesen Schurken des Trugs, diesen Teufel der Elie,
diesen Hahn des Verraths, diesen Engel der Verstellung, diesen Posauner der
Weisheit, diesen Äffer des Gewissens, diesen Schindersknecht, diesen Diener
des Gerichts, diesen Schmeichler der Großen, diesen Gefürchteten des
Glaubens. Der Stolz brütete Wahrheit, Erkenntniß, Licht und Kraft, wie die
Taube Eyer, und der Gelehrte Gedanken. Von jeher regierte er die Meinungen,
diesen Maskenball der Affen, diesen Ilexenmeister der Erscheinungen, diesen
Besudler der Geschichte, diesen Pfuscher im Recht, diesen Beklekser der Re-
ligion. Religion ist wegen der Vielseitigkeit ein ausgestopfter Hahn, ein Pfau
mit Federn, eine Nachteule im Dunkel und eine Lerche im Sonnenglanz etc.“
Gleich einem Wucherkraut rankt sich diese Schreibart ununterbrochen durch
das ganze Buch fort. *)Eben so verrückt ist die Geschichte eines unglücklichen
Weibes abgefaßt, einer Ma.rketenders Tochter, die iliren Vater beständig ihren
„Erzeuger“ nennt. Ihr Unglück bestand darin, lebenslang nervenkrank und ver-
krüppelt zu seyn, und das Merkwürdige ihrer Selbstbiographie in, wirklich bis
zum Entsetzen getreuen, Darstellungen kranker Zustände, medicinischer Be-

*) Hier beginnt das Stück von Caroline (Anm. d. Herausg. vgl. unten S. 56).
 
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