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Cartellieri, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 11. Abhandlung): Beiträge zur Geschichte der Herzöge von Burgund [1/2] — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32886#0010
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10

ütto Cartellieri:

II. Zum Frieden von Chartres.
(9. März 1409.)
So mannigfaltig die burgundischen Archivalien für die Regie-
rungen Philipps des Guten und Karls des Kühnen sind, so viel
Lücken zeigen sie für die Zeit Philipps des Kühnen und Johanns
ohne Furcht. Man vermißt nur zu häufig Briefe, Gesandtenan-
weisungen und ähnliche Stücke, welche die abseits von neugierigen
Blicken sich abspielende Politik aufklären und die Angaben der
Ghronisten zu ergänzen und richtig zu stellen imstande sind. Mit
lebhaftem Interesse wird man daher das folgende Stück begrüßen,
ein Gutachten burgundischer Räte, das uns in eine sehr kritische
Phase von Johanns Regierung versetzt: es ist verfaßt worden, als
die orleanistische Partei sicli anschickte, an dem Mörder IJerzog
Ludwigs Rache zu nehmen.
Welche Freude hatten alle diejenigen, welche die Bestrafung
des trotzigen Verbrechers forderten, darüber empfunden, daß Herzog
Johann im Juli 1408 Paris verließ, um clem Elekten von Lüttich,
Johann von Bayern, gegen dessen unbotmäßige Untertanen beizu-
stehen. Jetzt war die Bahn für die Orleans frei. Königin Isabeau
nahm sich ihrer Sache an. Im Triumph kehrte sie nach Paris, wo sie
nicht mehr mit clem Burgunder hatte zusammen sein wollen, zurück.
Unter ihrem Schutze heischte des Ermordeten Witwe, Valentine
Visconti, im königlichen Palaste, in feierlicher Versammlung für
sich und ihre Kinder Recht und Gericht. Wie arn 8. März 1408
Jean Petit in bombastischer Recle und -spitzflndigen Ausführungen
den Tyrannenmord verherrlicht und Herzog Johann als Wohltäter
der Menschheit gepriesen hatte, so schleuderte jetzt am 11. Sep-
tember der in den Künsten der Rhetorik nicht minder geübte Abt
von Gerisi die grimmigsten Anklagen gegen den frechen Mörder
und verlangte strengste Bestrafung. Valentine und ihr Anwalt er-
reichten, was sie wollten: die Ahndung des Verbrechens wurde
beschlossen, nötigenfalls mit Waffengewalt. Die königlichen
Gnadenbriefe, clie sich Johann ertrotzt hatte 23, wurden für ungültig
erklärt.24 Boten forderten den Herzog auf, sich vor dem König
23 Am 9. März 1408, bei Plancher III, pr. 254, nr. 256 (Paris, Bibl. Nat-
Moreau 1423, nr. 48, vidimus vom 9. April 1408, s. aueh nr. 50) und Bernier, s.
unten.
24 Bereits am 2. Juli 1408 (Paris, Arch. Nat. K 56, nr. 17, nicht besiegeltes
Original, bei Bernier pr. 3211.), aber die Veröffentlichung fand erst später statt;
Monstrelet I 388.
 
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