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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0010
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10

E. I. Bekker :

dawider, weder in uiis noch in den anderen, aufkommen. Der
Gelehrte ist einer plausibeln Vermutung mit ganzer Kraft nach-
gegangen, plötzlich springt ihm ein neuer, ihn selber über-
zeugender Beweis in die Augen, aher his dieser auch gegenüber
den andern zwingende Kraft erreicht hat, solange noch Ein-
wände erhohen werden können, ist kein Wissen vorhanden.
Gibt es solche allgemein zwingende Beweise? und wiecler,
verdienen alle Einwände, gleichviel von wem sie ausgehen, Be-
rücksichtigung ? Wird wer leugnen, daß wir von der Sonne
Wärme und Licht empfangen, daß die körperlichen Dinge, mit
denen wir hantieren, auf die Erde fallen, sobald sie der Stiitze
ermangeln? oder etwa, daß Friedrich der Große und Bismarck
gelebt haben und gestorben sind? Zweifellos daher, daß wir
gewisse Dinge wissen, und also wissen können, doch wer sind
„Wir“? wer waren die vorher genannten „xVnderen“, die gleich-
falls überzeugt sein müssen? und wer sind diejenigen, deren
Einwände wir unberücksichtigt lassen dürfen?
Unsere Gedankenreihe führt uns dahin, verschiedene Kreise
nicht bloß der Wissenden, sondern ehenso auch der Wissens-
fähigen anzunehmen; man muß schon eine Bildungsstufe erreicht
haben, um überhaupt zu irgendeinem Wissen zu gelangen, und
viele Wahrheiten sincl nur den speziell für sie Geschulten zu-
gänglich. Entsprechend sind die Einwände der nicht genügencl
Vorgebildeten und der Narren, welche ihre gewonneue ßildung
verleugnen, keiner Beachtung wert. Ersichtlich sind die Kreise
der Wissensfähigen bei weitem größer als die der Erkenntnis-
fähigen. Bei allen Kulturvölkern ist das Wissen der einzeluen
gewöhnlich ein vermitteltes, wir wissen nicht bloß das Wenige,
clas wir selber als wahr erkannt haben, sondern auch das Viel-
mehre, das uns von andern, denen zu trauen wir Grund haben,
überliefert worden ist. Wie relativ wenige haben Ivaiser Wil-
helm, Bismarck, Moltke und Roon als Leichen gesehen. Und
wer dürfte den Chemikern widersprechen, wenn sie lehren, daß
die Elemente zurzeit noch durch menschliche Kunst nicht zu
zerlegen sind. Ähnlich werden die Nichtjuristen uns folgen
dürfen, wenn sie von uns erfahren, daß Stellen in den Digesten
interpoliert sincl, die aufgefundenen Papyri neues Wissen er-
gehen haben, oder daß für gewisse praktische Fälle eine feste
Entscheidung aus unserem bürgerlichen Gesetzbuch nicht zu ent-
nehmen ist. Aher leider kehrt überall die Lücke wieder, die
 
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