18
E. I. Bekker :
wie er werden mußte, und hat auch getan nichts anderes, als
was er tun mußte. Den Mann wollt ihr Richter darum strafen?
Worauf dann freilich der deterministisch gesinnte Richter ant-
worten könnte: gerade als Determinist verurteile ich, denn es
ist prädestiniert, daß ich auf der RichteriDank, und nicht nur
auf dieser, mein Iiandeln so gestalte, als ob ich Indeterminist
wäre. Und wieder taucht ein Konflikt mit der Religion auf:
nehmen wir bei all den Scheußlichkeiten und Gemeinheiten,
denen wir in der Wirklichkeit leider nur zu oft begegnen, dem
Menschen die Schuld ab, weil er unter Zwang gehandelt, somüssen
wir die Verantwortung übertragen auf Deip von dem der Zwang
ausgegangem, auf den Autor des Prädestinationswerks. Sehen
wir nun in Gott selber diesen Autor, so machen wir also ihn
für die Scheußlichkeiten verantwortliclp deren Unterhleiben in
seiner Allmacht gestanden hätte; anderenfalls werden wir vor
die unlösbare Frage gestellt, wie wir uns Gott und den Autor
als zwei Allmächtige nebeneinander zu denken haben.
Vielleicht erginge es dem Privatrecht ein wenig besser; aher
zu ändern wäre auch hier viel. Namentlich müßte alles auf Arg-
list und Fahrlässigkeit, guten und bösen Glauben, Treue, Sorgfalt
und diesen Verwandtes bezügliche ausgetilgt, und die „vis major“
zur Alleinherrscherin erhohen werden; auch wäre nie mit „Un-
gewissem“, stets nur mir „Unbekanntem“ zu rechnen.
Daß auch der Indeterminismus seine schwachen Seiten hat
und auf Grundlagen baut, die wissenschaftlich nicht zu erweisen
sind, ist bereits angedeutet. Untersuchungen über das Gesetz
von der Erhaltung der Kraft, Deszendenztheorien und andere
biologische, auch geologische Probleme, die in neuester Zeit mit
Erfolg angestellt sind, führen allesamt zu Anschauungen eines
Werdens, hei dem aus A B, aus B C, aus C D usw. anscheinend
mit zwingender Notwendigkeit hervorgeht. Begreiflich, daß da-
durch für den Determinismus Stimmung gemacht ist, und daß
niemand gern einer Theorie widerspricht, die man überall in
der Wirklichkeit bestätigt zu sehen glaubt. Überall; nur nicht
in der eignen Brust, niemand will auf den Gegensatz des Guten
und des Bösen, und zwar des zurechenbar Guten auf eignem
Verdienst, und des zurechenbar Bösen auf eigner Schuld be-
ruhenden, verzichten, so wenig er vielleicht auch diesen Gegen-
satz selber zu defmieren verstünde und dessen Unverträglich-
keit mit den deterministischen Lehren erkannt hätte. Al)er es
E. I. Bekker :
wie er werden mußte, und hat auch getan nichts anderes, als
was er tun mußte. Den Mann wollt ihr Richter darum strafen?
Worauf dann freilich der deterministisch gesinnte Richter ant-
worten könnte: gerade als Determinist verurteile ich, denn es
ist prädestiniert, daß ich auf der RichteriDank, und nicht nur
auf dieser, mein Iiandeln so gestalte, als ob ich Indeterminist
wäre. Und wieder taucht ein Konflikt mit der Religion auf:
nehmen wir bei all den Scheußlichkeiten und Gemeinheiten,
denen wir in der Wirklichkeit leider nur zu oft begegnen, dem
Menschen die Schuld ab, weil er unter Zwang gehandelt, somüssen
wir die Verantwortung übertragen auf Deip von dem der Zwang
ausgegangem, auf den Autor des Prädestinationswerks. Sehen
wir nun in Gott selber diesen Autor, so machen wir also ihn
für die Scheußlichkeiten verantwortliclp deren Unterhleiben in
seiner Allmacht gestanden hätte; anderenfalls werden wir vor
die unlösbare Frage gestellt, wie wir uns Gott und den Autor
als zwei Allmächtige nebeneinander zu denken haben.
Vielleicht erginge es dem Privatrecht ein wenig besser; aher
zu ändern wäre auch hier viel. Namentlich müßte alles auf Arg-
list und Fahrlässigkeit, guten und bösen Glauben, Treue, Sorgfalt
und diesen Verwandtes bezügliche ausgetilgt, und die „vis major“
zur Alleinherrscherin erhohen werden; auch wäre nie mit „Un-
gewissem“, stets nur mir „Unbekanntem“ zu rechnen.
Daß auch der Indeterminismus seine schwachen Seiten hat
und auf Grundlagen baut, die wissenschaftlich nicht zu erweisen
sind, ist bereits angedeutet. Untersuchungen über das Gesetz
von der Erhaltung der Kraft, Deszendenztheorien und andere
biologische, auch geologische Probleme, die in neuester Zeit mit
Erfolg angestellt sind, führen allesamt zu Anschauungen eines
Werdens, hei dem aus A B, aus B C, aus C D usw. anscheinend
mit zwingender Notwendigkeit hervorgeht. Begreiflich, daß da-
durch für den Determinismus Stimmung gemacht ist, und daß
niemand gern einer Theorie widerspricht, die man überall in
der Wirklichkeit bestätigt zu sehen glaubt. Überall; nur nicht
in der eignen Brust, niemand will auf den Gegensatz des Guten
und des Bösen, und zwar des zurechenbar Guten auf eignem
Verdienst, und des zurechenbar Bösen auf eigner Schuld be-
ruhenden, verzichten, so wenig er vielleicht auch diesen Gegen-
satz selber zu defmieren verstünde und dessen Unverträglich-
keit mit den deterministischen Lehren erkannt hätte. Al)er es