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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0020
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E. I. Bekker :

daniL zwar den Einfluß der Vergangenheit und der außer und in
ihm vorhandenen Gegenwart, zusammengefaßt ,,Motive“, emp-
fmden und nicht selten von diesem Empfundenen sich leiten
lassen, aher doch nicht gezwungen sein, sich leiten zu la.ssen,
und den letzten Entscheid, ob und welchen Motiven er folgen
wolle, aus sich selher schöpfen. „Aus sich selber“ und „schöpfen“,
beides fordert nähere Betrachtung. Daß Cäsar, Napoleon und
Shakespeare und wohl aucli Edison im entscheidenden Augen-
hlick aus sich selber geschöpft, was andere an ihrer Stelle nie-
mals zu erfmden vermocht hätten, das ist eine Anscha.uung, mit
welcher der gemeine Menschenverstand sich viel leichter zu be-
freunden vermag als mit dem unheimlichen der absoluten Not-
wendigkeit alles Geschehens und damit der Passivität aller bei
diesem Geschehen hewegten Puppen. Daß ich und alle anderen
nehen mir, Menschen wie Tiere, jeglicher Aktivität entbehren,
selber nichts wollen, tun, reden, denken, ahnen (vielleicht gar
träumen), sondern nur die Werkzeuge sind, deren fremdes Wollen
sich zu seiner Betätigung im Handeln, Reden usw. bedient, das
ganze Ichgefühl eine grobe Lüge, das sind so monströse Gedanken,
daß sie selbst dem felsenfesten Deterministen kaum glatt ein-
gehen dürften. Aber freilich auch hei dem „aus sich selber
schöpfen“ handelt es sich nur um ein Ahnen, dem feste Formen
schwer zu geben sind.
Denn beim „schöpfen“ müssen wir einen kleinen Abstecher
ins All, zur allgemeinen Weltordnung, wagen. Gibt es überhaupt
ein „Schöpfen“, „Schöpfung“? Verstehen wir unter „motio“
den Erguß jeglicher Energie, keine Energie, die nicht eine
„motio“ hervorriefe, und wieder keine „motio“, die niclit einer
Energie entstammte, so reduziert sich unsere Frage darauf:
gibt es oder hat es je gegeben ein „principium motionis“ ? als
„principium“ selber ein „immotum“ ? Ist das denkhar?
Entweder denken wir uns Kräfte und Stoffe seit Ewigkeit
in fesl. gegebener Menge vorhanden, keine Mehrung, keine
Minderung möglich; jede Kraft isoliert in stetem Gleichstrom
(Gesetz der Trägheit), hei gewissen Berührungen mit andern
Kräften gezwungen, ohne Ouantitätsänderung andere Formen
anzunehmen (Erhaltung der Kraft), und also jedes „principium
motionis“ ausgeschlossen. Denn was vor Ewigkeiten geschehen,
das wissen wir nicht, können wir nicht wissen, nicht ahnen;
töricht, danach zu fragen. Oder aber die Mengen sind nicht
 
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