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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0030
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E. I. Bekker :

zision des Denkens. Beim Recht handelt es sich um die Über-
tragung von Kraftquanten; sichere Abgrenzung und festen Be-
stand erhalten auch diese erst, wenn man daran geht; die Über-
tragungen, und zumal den Austausch, Regeln zu unterwerfen.
Die Verschiedenheiten aber beruhen vornehmlich darauf,
daß bei der Entwicklung der Sprache der menschliche Egoismus
als störendes Element kaum in Betracht kommt, beim Recht
aber eine Kollision der Interessen hervorruft, deren Aus-
gleichung eventuell das Eingreifen eines äußeren Zwanges er-
fordert. In vollster Freiheit entwickeln sich die höchsten Blüten
der Sprache, wie beispielsweise das Griechische der Athener.
Der Mensch will verstanden werden und verstehen; schon
hierin liegt ein genügender Zwang, der gleichen Ausdrücke sich
zu bedienen.
Auf dem Gebiete des Rechts aber miißte eine gleiche zügel-
lose Freiheit bald zum Kriege aller wider alle führen; dem ent-
gegen zu wirken, ist die Aufgabe des Rechts. Freilich hat es
diese nie ganz zu lösen vermocht und die Erscheinungen der
Gegenwart (,,la propriete c’est le vol“, „die Enterhten“, der Un-
fug der Streiks und der Trusts, Maffia und Camorra oder gar die
anarchistischen Banditen) lassen vermuten, daß ihr dies wohl
nimmer gelingen wird; aber ohne das Recht könnte die mensch-
liche Bestialität doch Zustände herbeiführen, die nicht aus-
zumalen sind. Hiermit ist gegeben, daß Recht nur in ge-
schlossenen und mit Zwangsgewalt gegen die Zugehörigen aus-
gestatteten Verbänden sich zu entwickeln vermag.
Gewiß regelt das Recht das menschliche Tun in seiner
Weise; es konkurriert mit Religion, Moral, Patriotismus, Sitt-
lichkeit, Sitten, Gebräuchen, auch denen der Sprachen, Moden
usw., mit Mächten, die nur in ihren Zentren ersichtlich weit
auseinander liegen, im übrigen mannigfaltig schattiert inein-
ander fließen. Charakteristiscli für das „Reclit“ ist das Zu-
lassen, und nach Umständen Begehren, des äußeren Zwanges.
Daher die Gehundenheit an zwangskräftige „Verbände“. Von
dieser Zwangsgewalt aber kann der Verband, oline Gefährdung
seiner eigenen Existenz, nur zu bestimmten Zwecken Gebrauch
machen: den eigenen Bestand zu erhalten und die Verbands-
glieder zu dem den Verbandszwecken gemäßen Handeln zu ver-
anlassen. So fern wir einem Wissen stehen, von dem „Warum“
und dem „Wozu“ das Menschengeschlecht. auf die Erde ge-
 
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