Metadaten

Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0033
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen.

33

noch recht vagen Ideal mehr oder weniger entsprechend er-
scheinen. In sich bedarl jeder Verband der Ordnung, will sagen
ein geregeltes Zusammenwirken der in ihm verbundenen Kräfte,
die regelnde Norm heißen wir Recht. Jeder Verband hat ;jsein
Recht“. Es liegt auf der Hand; daß diese Rechte unter sicli
ebenso gleichartig und mit gleitenden Ühergängen verschieden
sind wie die Verbände selber. Lauter Tatsachen, die sich mit
Händen greifen lassen. Sträubt sich die herrschende Lehre da-
wider, in den Verbänden und ebenso in den Rechten mit Ein-
schluß der Staaten relative Größen zu sehen, so ist über die
Namen nicht zu streitem, mag jeder die Begriffe des „Staates“
und des „Rechtes“ so weit und so eng fassen, wie er will, wohl
aber darauf zu verweisen, daß all die Gebilde, in denen wir
„Verbände“ und „Staaten“ oder wieder „Rechte“ sehen, ge-
wordene Dinge sind, die ein meist langes Entwicklungsstadium
hinter sich liaben und in diesem auch schon heachtenswerte
Dinge waren. Man frage jeden der modernen Staatem, wann er
Staat geworden, was er vordem gewesen, und wie überhaupt
sein Werden von den ersten Anfängen seines Daseins verlaufen,
nnd wiederhole dieselben Fragen bei den geltenden Rechten.
Die gleitenden Übergänge und die Relativität werden sich nicht
verleugnen lassen.

VI.
Das den Glauben Verdrängende Wissen zwingt uns; das
Recht, das wir um uns sehen und in dem wir zu leben ver-
meinen, anzuerkennen als Menschenwerk, bedingt durcli
natürliche oder sagen wir von Gott in den Menschen gelegte
Triebe, aber ansgeführt durch menschliche Handlungen, in den
Details Produkt eines menschiichen Wollens, das Recht zwar zu
schaffen gezwungen war, dies Recht aber in seinen Details aucli
anders zu gestalten vermocht hätte. Mag, wer will, an ein daneben
hestehendes, direkt von Gott geschaffenes Naturrecht glauben;
wir glanhen nicht daran. Also steht Glauben wider Glauben,
keiner vermag den anderen zu zwingen; übrigens wird die Be-
merkung arn Platze sein, daß dies Naturrecht von hesonderer,
gleicbsam proteischer Art sein müßte, um sich hrauchbar zu er-
weisen, nicht bloß für alle menschlichen Bewohner aller Kon-

Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. Kl. 1912. 8. Abh.

3
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften