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Bekker, Ernst Immanuel; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1912, 8. Abhandlung): Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen — Heidelberg, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.32883#0037
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Das Recht als Menschenwerk und seine Grundlagen.

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andere Ouelien festeren Anhalt bieten als die Gesetzbücher?
Der unbefangene Beobachter trifft überall auf die gleiche Er-
scheinung: die große Mehrzahl der Fälle rechtlicher Natur stelrt
unter „ius certum“ und fmdet auch im Leben ohne Widerstreit
ihre dem Recht konforme Lösung. Unverstand oder Unver-
mögen füj^ren zuweilen trotz klarem Rechte zu Prozessen, docli
stets ist dies sichere Recht umspült von einem Flutstreifen des
„ius incertum“. Sehr begreiflich, denn der Reichtum der Er-
scheinungen des Wirklichen ist für menschliche Augen unüber-
schaubar; aus wenigen Grundsätzen lassen siclr nicht alle er-
forderlichen Entscheidungen ableiten, und ein Gesetzbuch, noch
kasuistischer als das preußische Landrecht, würde noch un-
geschickter als dieses und müßte doch schon für lieute nicht
ganz ausreichen, geschweige für morgen. Aber freilich dem
Schwärmer für das ideale, in und an sich vollkommene Recht
mag es schwer fallen, von dem schönen Glauben zu lassen und
zu dem erfahrungsmäßigen Wissen sich zu bequemen: daß „ius
incertum“ der treue Begleiter ist, ohne welchen kein „ius cer-
tum“ von einiger Bedeutung zu bestehen vermag.
Befassen wir uns noch mit einem anderen Glaubensstück:
„Macht geht vor Recht“, man hat diese Behauptung entsetzlich
gefunden; aher man wird doeh auch die Umkehrung „Recht
geht vor Macht“ nicht als durchgängig wahr aufrecht erhalten
können. Zum Beweis wird man sich nicht auf die Beziehungen
der Staaten und Ouasistaaten zueinander berufen, wo zweifellos
die Macht der entscheidende Faktor ist, denn unter den Staaten
besteht überhaupt noch kein Recht. Höchstens ließe sich sagen,
daß die Rechte, welche Staaten sicli zuschreiben, regelmäßig
Folgen früher erworhener Macht seien: was, etwas anders
schattiert, auch für viele privatrechtliche Verhältnisse richtig
sein dürfte. Das Recht ist ein wirkendes, und, folglich auch
wirkliches Etwas, nicht körperlich, aher der Verkörperung fähig,
eine geistige Realität. Dem Recht selber wohnt Zwangsgehalt
ein; vieles geschieht so, wie das Recht es fordert, wenn auch
nicht allemal aus dem klaren Bewußtsein, mit der Handlung ein
Rechtsgebot zu erfüllen. Immerhin ist das Recht selber eine
geistige Macht, die aber gegenüber zuwider laufenden Interessen
keineswegs überall zur Sicherung seiner Gebote ausreicht. Da-
her haben viele, und gerade die mächtigsten Verbände he-
sondere Organe zum Schutze ihres Rechts sich geschaffen. Anch
 
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