Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]; Aly, Wolfgang [Bearb.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 2. Abhandlung): Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung: 1. Literarische Stücke — Heidelberg, 1914

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33295#0039
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mitteilungen aus cler Freiburger Papyrussammlung I. 39

aber sie hörten nicht so mitten im Satze auf. Die Stuncle nahte
ihrem Ende, das merkt man an der schnelleren Schrift gegen Ende
zu und an den sich häufenden Fehlern, die sämtlich Hörfehler sind.
fhor/).;, sxtsElts 7roi7)GST£ u-spx£T£ sindFehler, die für eine Schularbeit
wirklich etwas arg sind, während b in yuvouxocv sogar eine aller-
liebste vulgäre Form hineingehört hat, aber auch das erst in der
zweiten Hälfte. Selbst das verstellte uTtapxouaa kann anfänglich
überhört worden sein. Das Auftreten von zwei Stücken von so großer
innerer und äußerer Verwandtschaft zeigt, claß sie zwar von ver-
schiedener Hancl, aber aus derselben Klasse stammen; beide Male
hat der Lehrer den Text aus der gleichen Quelle genommen 1.

Damit ist der Weg zur Literatur eröffnet, ein weiter Spiel-
raum, da wir von vornherein gar nicht ahnen können, was für cliesen
Zweck ausgewählt war. Doch kann nur ein kleiner Kreis ernst-
haft inBetracht kommen; die Form beider Stücke hilft uns weiter,
denn historische Dialoge dieser Art sind so selten, daß es sich lohnt,
das wenige, was uns davon bekannt ist, mit raschem Blicke zu
überschauen. Daraus wird sich die Einorclnung der neuen Dialoge
von selbst ergeben.

Die Gattung cles historischen Dialogs geht, wenn
auch nicht in der hier vorliegenden Form, auf die Anfänge cler
griechischen Geschichtschreibung zurück. Diese hatte das Kunst-
mittel, ihre Helden dramatisch durch Reden zu charakterisieren,
mit in clie Wiege bekommen. Und wollen wir noch weiter zurück-
greifen, so sind schon im historischen Epos, auf das Herodot
stilistisch zurückgreift, große Partien ganz dramatisch gehalten.
Seit Herodot ist dies Verfahren sosehr die Regel, daß eine Aus-
nahme wie bei Polybios nur auf einer bestimmten künstlerischen
oder wissenschaftlichen Absicht beruhen kann. Beispiele erübrigen
sich. Trotzdem schließt die entscheidende Grenze hier den eigent-
lichen Dialog, d. h. das Hinüber und Herüber lebhafter Meinungs-
äußerung, prinzipiell aus. Gleich bei Herodot: wenn sich mehrere
besprechen, etwa bei dem Streit um die beste Verfassung nach der
Ermordung des falschen Smerdis, 3,80 ff., oder im Kriegsrat des
Xerxes, 7,7 ff., die Gesandten vor Gelon, 7,157 ff., oder Xerxes und
Demarat, 7,101 ff., immer ist es Rede um Rede, steif und unlebendig,
episch stilisiert. Selbst die Verabredung zum Sturze des falschen

1 Die sprachliche Verwandtschaft wird besonders klar durch die Ver-
wendung von xaTa c. Acc. to yevvaiov, to Tcpo-eTeq u. a., wofür das
Wörterverzeichnis zu vergleichen ist.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften