38 Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung I.
Kolumnenhälfte nach links zu vermeiden. Die Schrift deutet auf
die gleiche Quelle. Sie ist plump, besonders in a, und vermeidet
kursive Formen, trotzdem gegen den Schluß hin schneller ge-
schrieben ist. Das erschwert die Datierung sehr. Die Schüler
sollten offenbar die ,,gute“ Schrift üben und sind nur gelegentlich
in den bequemen Duktus der Kursive verfallen. Das ist wieder
bei dem Ungeschickteren von beiden, bei a, besonders deutlich.
Wenn es nicht sinnlos wäre, würcle man nach dem Äußeren fast
glauben, daß die Worte eines jeden Sprechers von einer anderen
Hand gesclirieben seien. Zuerst sind die Buchstaben groß, die
Zeilenabstände weit, die Buchstaben formgerecht. Dann wird es
Z. 12 auf einmal enger und kleiner, was für die Ergänzung der
Lücken beachtet werden will; es laufen kursive a unter. Die
andere Kolumne ist geradezu fiüchtig, in einem ganz anderen
Charakter, wieder größer geschrieben. Wir werden gleich eine
annehmbare Erklärung dafür finden, denn es fragt sich: sind es
Aufsätze oder Diktate? 1
Als Schulaufsätze wären die beiden Stücke literarisch rasch
erledigt und unter die rhetorischen Meletemata der Zeit,
in die die Schrift deutet, gewiesen. Als Diktate können
sie Produkte des Lehrers, können aber auch Stücke aus
einem beliebigen Klassiker 2, etwa nach Art eines antiken
,,Hopf und Paulsieck“, sein. Wir kennen gerade von Schul-
tafeln eine Anzahl guter Klassikerfragmente. Und alles spricht
fiir ein Diktat. Daß die Arbeiten für Schüler zu gut sind,
beweist niclit alles; aber das plötzliche Abbrechen von a mitten
im Satze, und daß b mit seiner flotteren Schrift länger ist: gewiß,
manche unserer Klassenaufsätze sind auch niclit fertig geworden,
1 Jul. Kaersx verdanke ich einen Hinweis darauf, daß wir einem so
späten Produkt nichts glauben dürfen, was wir nicht schon anderweitig'
wissen, daß also seine Bedeutung als historische Quelle gleich Null ist, während
der Herausgeber von seinem geistigen Kinde leicht etwas zu günstig urteilen
wird. Darum sei dies ausdrücklich vermerkt. Trotzdem konnte ich die Stück-
chen nicht einfach als rhetorical exercise abtun, wie ich iiberhaupt giaube,
daß wir mit dem Werturteil: späte Fälschung den betr. Produkten bitter
unrecht tun. Lernen können wir jedenfalls daraus. Ich habe die folgende
Untersuchung nicht geschrieben, um aus Nichts Etwas zu machen, sondern
weil auch eine Fälschung und eine Schularbeit Schlaglichter auf die Zeit
ihrer Entstehung werfen.
2 Das Interesse für Alexander ist im 2. Jahrh. besonders wach von
Hadrian bis auf Severus Alexander. Dieselben Stoffe in der Rhetorenschule
bezeugt Seneca controv. YII 7,19 suas. 1.
Kolumnenhälfte nach links zu vermeiden. Die Schrift deutet auf
die gleiche Quelle. Sie ist plump, besonders in a, und vermeidet
kursive Formen, trotzdem gegen den Schluß hin schneller ge-
schrieben ist. Das erschwert die Datierung sehr. Die Schüler
sollten offenbar die ,,gute“ Schrift üben und sind nur gelegentlich
in den bequemen Duktus der Kursive verfallen. Das ist wieder
bei dem Ungeschickteren von beiden, bei a, besonders deutlich.
Wenn es nicht sinnlos wäre, würcle man nach dem Äußeren fast
glauben, daß die Worte eines jeden Sprechers von einer anderen
Hand gesclirieben seien. Zuerst sind die Buchstaben groß, die
Zeilenabstände weit, die Buchstaben formgerecht. Dann wird es
Z. 12 auf einmal enger und kleiner, was für die Ergänzung der
Lücken beachtet werden will; es laufen kursive a unter. Die
andere Kolumne ist geradezu fiüchtig, in einem ganz anderen
Charakter, wieder größer geschrieben. Wir werden gleich eine
annehmbare Erklärung dafür finden, denn es fragt sich: sind es
Aufsätze oder Diktate? 1
Als Schulaufsätze wären die beiden Stücke literarisch rasch
erledigt und unter die rhetorischen Meletemata der Zeit,
in die die Schrift deutet, gewiesen. Als Diktate können
sie Produkte des Lehrers, können aber auch Stücke aus
einem beliebigen Klassiker 2, etwa nach Art eines antiken
,,Hopf und Paulsieck“, sein. Wir kennen gerade von Schul-
tafeln eine Anzahl guter Klassikerfragmente. Und alles spricht
fiir ein Diktat. Daß die Arbeiten für Schüler zu gut sind,
beweist niclit alles; aber das plötzliche Abbrechen von a mitten
im Satze, und daß b mit seiner flotteren Schrift länger ist: gewiß,
manche unserer Klassenaufsätze sind auch niclit fertig geworden,
1 Jul. Kaersx verdanke ich einen Hinweis darauf, daß wir einem so
späten Produkt nichts glauben dürfen, was wir nicht schon anderweitig'
wissen, daß also seine Bedeutung als historische Quelle gleich Null ist, während
der Herausgeber von seinem geistigen Kinde leicht etwas zu günstig urteilen
wird. Darum sei dies ausdrücklich vermerkt. Trotzdem konnte ich die Stück-
chen nicht einfach als rhetorical exercise abtun, wie ich iiberhaupt giaube,
daß wir mit dem Werturteil: späte Fälschung den betr. Produkten bitter
unrecht tun. Lernen können wir jedenfalls daraus. Ich habe die folgende
Untersuchung nicht geschrieben, um aus Nichts Etwas zu machen, sondern
weil auch eine Fälschung und eine Schularbeit Schlaglichter auf die Zeit
ihrer Entstehung werfen.
2 Das Interesse für Alexander ist im 2. Jahrh. besonders wach von
Hadrian bis auf Severus Alexander. Dieselben Stoffe in der Rhetorenschule
bezeugt Seneca controv. YII 7,19 suas. 1.