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Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Aly, Wolfgang [Oth.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1914, 2. Abhandlung): Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung: 1. Literarische Stücke — Heidelberg, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.33295#0040
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40 Mitteilungen aus der Freiburger Papyrussammlung I.

Smerdis, 3,71 ff., ist, obwohl die Partien der einzelnen Unterredner
viel kürzer ausgefaden sind, von einer Wohlgesetztheit, die auf
der Bühne nur noch bei Aischylos zu finden war. Und doch sind
diese Partien bei Herodot gerade diejenigen, wo inhaltlich die
moderne Methode der Sophisten am deutlichsten zu spüren ist.
Womöglich noch steifleinener ist Thukydides, wenn er im
syrakusanischen Kriegsrate, 6,33 ff., erst Hermokrates, dann Athena-
goras je eine lange Rede halten läßt, worauf ein syrakusanischer
Stratege das Schlußwort erhält. Das ist der Ton der feierlichen
Parlamentsverhandlung — in der attischen Volksversaminlung mag
zeitweilig solche Disziplin geherrscht haben —, aber kein Dialog.

Wir wissen, daß Sokrates seine Unterhaltungen in zwang-
losester Form geführt hat. Seine Schüler, nicht bloß Platon,
haben im sokratischen Dialog diese ihm kongeniale Form literarisch
fixiert. Damit war der philosophische Dialog geschaffen; seine
Lebendigkeit reizte geradezu zur Aufführung und spiegelte das
bunte Leben in seiner ganzen Ungezwungenheit wider. Aber die
neue Form war inhaltlich festgelegt. - Hat sie aueh auf die
Idistorie gewirkt? Der Verlust der maßgebenden Werke von Epho-
ros bis Poseidonios erschwert das Urteil sehr — denn der schon
genannte Polybios kann nicht zu Rückschlüssen benutzt werden,
weil gerade er eine Ausnahme bildet. Berücksichtigen wir aber
clen entscheidenden Einflüß der Rhetorik, besonders aus der
Schule des Isokrates, so wird es sehr unwahrscheinlich, daß sich
schon die attische Kunst des vierten Jahrhunderts von cliesen
Fesseln freigemacht habe. Feierliche Reden werden genug gehalten
sein; aber der Dialog verknöchert ja selbst bei den Philosophen, ein
Zeichen, daß ihm keine verständnisvolle Pflege zuteil geworden ist.
Dasselbe zeigen etwa die rhetorischen Exzerpte aus den Historien
des Sallust; es sind Reden und Briefe, d. h. auch wieder Reden,
wenn auch geschriebene. Man kann die Rhetorik den Gegenpol
des zwanglos naturalistischen Dialogs nennen.

Eine andere Mimesis cles täglichen Lebens hatte sich derweile
auf der Bühne entwickelt, wo die Komödie den sophistischen
Redekampf übernommen und den stilisierten Dialog der Tragödie
aufgelöst hatte. Das sind Ansätze, die sich später entfalten sollten.
Das ernsthafte politische Gespräch, das wir suchen, hatte freilichin
der altenund mittleren Komödie keinen Platz; und dieTragödie hat
sich von den heroischen Stoffen nicht freimachen können. An-
sätze des bürgerlichen Trauerspiels haben wir in einem ganz
 
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